Pasing:Die zweite Villa Waldberta

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Die Stadt will im Haushalt deutlich mehr Geld für den internationalen Kulturaustausch bereitstellen. Dem Pasinger Ebenböckhaus kommt dabei eine wichtige Rolle zu, künftig sollen hier Stipendiaten zu Hause sein

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Aarón Hernández Farfán hat an diesem Vormittag ungewöhnlich viel Besuch. Eigentlich ist der mexikanische Theater- und Filmemacher derzeit der einzige Bewohner in der Wohngemeinschaft im Pasinger Ebenböckhaus. Er ist vor rund einer Woche in München angekommen und bewohnt nun das sogenannte Kaminzimmer in der alten Villa, die seit 2011 von der Stadt zur kurzfristigen Unterbringung von Künstlern genutzt wird. Nun sitzen Kulturreferent Hans-Georg Küppers und einige Leute mehr im WG-Wohnzimmer. Es gibt nämlich einiges zu verkünden: Die Stadt will ihr internationales Kulturaustausch-Programm ausbauen. Das Ebenböckhaus wird damit dem anderen Münchner Künstlergästehaus, der Villa Waldberta in Feldafing, gleichgestellt. Von Januar an können die Gäste bis zu drei Monate bleiben und bekommen ein monatliches Stipendium in Höhe von 1200 Euro.

Vorerst allerdings muss der Stadtrat am 23. November über diese geplante Ausweitung der Kulturarbeit beschließen: Standen bislang jedes Jahr 96 400 Euro für den projektbezogenen internationalen Kulturaustausch und 80 000 Euro für Stipendien in der Villa Waldberta zur Verfügung, soll das Förderbudget künftig bei insgesamt 325 400 Euro liegen. "Der internationale Kulturaustausch hat viele Facetten. Wir sehen ihn als Miteinander Kunstschaffender. Im besten Fall bereichern die Ergebnisse das Münchner Kulturleben, wenn sie öffentlich sichtbar, hörbar oder erlebbar werden", sagt Kulturreferent Küppers. Es gehe darum, möglichst nachhaltig ein großes europaweites, weltweites Netzwerk aufzubauen.

Raum für Kreativität: Evelyn Hriberšek wird sich zusammen mit dem Künstler Aarón Hernández Farfán während dessen Aufenthalt in Pasing mit Frank Wedekinds Drama "Lulu" beschäftigen. (Foto: Florian Peljak)

Der regelmäßige Kulturaustausch zwischen München und Taipei in Taiwan, einst angestoßen vom "Apartment der Kunst" und seinem Kurator Lars Koepsel, ist ein Projekt, bei dem dies schon beispielhaft gelungen ist. Mittlerweile engagieren sich hier als Partner auch das Goethe-Institut in Taipei und das Taipei Artists Village. 40 Künstler aus München wollten in diesem Jahr nach Taiwan reisen, 70 Taiwanesen haben sich um einen Aufenthalt in München beworben. Auch sie werden im Ebenböckhaus Stipendien-Aufenthalte bekommen können.

Wie so eine Kooperation künftig funktionieren kann, soll das "Lulu-Projekt" von Aarón Hernández Farfán zeigen. So nutzt der Mexikaner seinen Aufenthalt im Ebenböckhaus, um den Stoff für das Wedekind-Jahr 2018 zusammen mit der Münchner Medienkünstlerin Evelyn Hriberšek aufzubereiten. Zu erwarten sei keine traditionelle Bühnenproduktion, sagt Hriberšek, die mit performativen Elementen und Multimedia arbeitet.

Die beiden Künstler haben sich 2016 bei einem internationalen Forum des Münchner Goethe-Instituts kennengelernt und entdeckt, dass sie in Wedekinds Skandaldrama eine enorme Relevanz sehen. Geht es doch um Gewalt, in Familie wie Gesellschaft. "Wir wollen das Lulu-Projekt auch in Mexiko zeigen, vor allem Menschen, die gewöhnlich keinen Zugang zu Kultur haben", sagt Aarón Hernández Farfán, der Wedekinds "Lulu" schon vor 20 Jahren für sich entdeckt hat. Hriberšek und Farfán werden also Zeit haben, ihre gemeinsame Projekt-Idee zu verwirklichen.

Der Künstler Aarón Hernández Farfán kommt aus Mexiko und lernte Evelyn Hriberšek 2016 bei einem internationalen Forum des Münchner Goethe-Instituts kennen. (Foto: Florian Peljak)

Genau dieses will man mit der Aufstockung des Etats künftig noch mehr Künstlern ermöglichen, als dies bislang der Fall war, sagt Martin Rohmer, der im Kulturreferat für den internationalen Austausch zuständig ist. So biete die Stadt neben Projekt- und Reisekostenzuschüssen und Stipendien eben die Residenzprogramme. Gerade in einer Stadt wie München, in der Wohnraum immer knapper und teurer werde, sei dies umso wichtiger. Und darüber hinaus sei es auch recht singulär in der deutschen Kulturlandschaft. Die meisten Residenz-Programme würden vom Bund beziehungsweise vom Land gefördert. Kommunales Engagement sei da sehr selten.

In der Villa Waldberta waren seit 2005 an die 450 Künstler untergebracht, das Ebenböckhaus, das vom Team der Pasinger Fabrik verwaltet wird, hatte seit 2011 knapp 200 Gäste, allerdings ohne Stipendien. In der schmucken Villa Waldberta können bis zu sieben Künstler wohnen, im gerade renovierten ersten Stock des Ebenböckhauses sind es maximal vier Leute, die sich dort eine Küche und ein Bad teilen. Vorerst aber kann Aarón Hernández Farfán als derzeit einziger Bewohner den Blick auf den schönen Ebenböck-Park alleine genießen.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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