Pasing:Der Letzte seiner Art

Pasing: Streitfall: der Riegerhof an der Planegger Straße.

Streitfall: der Riegerhof an der Planegger Straße.

(Foto: Robert Haas)

Sein Besitzer will den Riegerhof an der Planegger Straße in Pasing abreißen lassen, die Denkmalschutzbehörden fordern die Sanierung. Jetzt muss das Gericht entscheiden

Von Jutta Czeguhn, Pasing

In Bernhard Möllmanns Ansichtskartenband "Bilder vom alten Pasing" gibt es einen schönen Stich aus dem Jahr 1915, signiert von einem gewissen Otto Ackermann. Zu sehen ist, versteckt hinter hohen Bäumen, der Betzenhof an der oberen Planegger Straße mit seinem kleinen Backhaus nahe beim Zaun. Zeichner Ackermann hatte sich in etwa dort positioniert, wo heute das Gasthaus "Goldene Gans" steht. Damals gab es rechts und links der Straße viele Bauernhöfe, die meisten sind verschwunden oder zu Wohnkomplexen umgebaut. Stünde er heute dort, hätte er am rechten Bildrand die Pasinger Moschee im Blick und immer noch den Betzenhof, der längst Riegerhof heißt, mit seinem nach einem Brand 2011 rußgeschwärzten Fensterrahmen, mit dem Marmor-Handel in der Tenne. Besitzer Martin Rieger möchte den alten Hof abreißen, die Stadt sagt entschieden Nein, denn er ist ein Einzelbaudenkmal im Ensemble. Nun muss die Justiz entscheiden .

Montagnachmittag dieser Woche, Bayerisches Verwaltungsgericht an der Bayerstraße, die 8. Kammer, Vorsitzende Richterin ist Marion Pauli Gerz. Martin Rieger ist da mit seinem Anwalt Michael Hauth und dem Sachverständigen für historische Bausubstanz, Udo Rieger, nicht verwandt oder verschwägert mit ihm. Die Gegenseite ist vertreten mit Susanne Fischer vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und Patrizia Eberhard vom Unteren Denkmalschutz im Planungsreferat, die statt Abriss eine Sanierung des Bestands und den Umbau zu Wohnungen fordern. Einzig der Stadl könnte, so ihr Kompromissvorschlag, beseitigt werden.

Sie alle hatten sich am Vormittag schon einmal gesehen, bei einem Augenschein auf dem Riegerhof, der zumindest bei der Richterin einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatte. "Ich frage mich wirklich, was da noch an Denkmal übrig bleiben kann, wenn das hergerichtet würde", sagte Marion Pauli-Gerz. Im Wohnteil des alten Hofs, der aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen soll, seien die Decke und die Fenster kaputt, die Wände total verrußt. "Das müsste völlig entkernt werden", ist die Richterin überzeugt. Dann sei da noch das Ensembleschutz-Problem. Sie habe erhebliche Zweifel, dass der Riegerhof als einzig noch verbliebenes landwirtschaftliches Anwesen auf der Westseite der Planegger Straße das Ensemble retten könne. "Daneben hat man sich eine Moschee gegönnt und fünfgeschossigen Wohnungsbau", erklärte Pauli-Gerz und zitierte die aktuelle Gesetzeslage zum Ensembleschutz: "Fehlt es in einem Teilbereich des Ensembles an historischer Bausubstanz, die das Ensemble prägen könnte, liegt insoweit ein denkmalgeschütztes Ensemble nicht mehr vor."

Direkter Widerspruch kam dazu von Susanne Fischer, die beim Landesamt für Denkmalpflege für Bau- und Kunstdenkmäler zuständig ist: In circa vier Wochen sei eine Gesetzesänderung zum Ensembleschutz genau in diesem Punkt zu erwarten. Fischer berichtete, dass sie früher überwiegend im ländlichen Raum tätig war und Sanierungen von alten Höfen zu ihrem "Tagesgeschäft" gehörten. Auch ihrer Kollegin von der Unteren Denkmalschutzbehörde, Patrizia Eberhard, erscheint der Riegerhof nicht als Ausnahmefall. "Die Umwandlung von Wirtschaftsteilen in Wohnnutzung ist seit 20 Jahren ein durchgängiges Thema." Es gebe "unzählige gelungene Beispiele". Auch mit Familie Rieger habe es Gespräche gegeben, man habe ihnen Fördermittel aus dem Entschädigungsfonds angeboten, Geld für Vorstudien einer Sanierung. Alles ohne Reaktion.

Bis 1977 hatte Martin Rieger auf dem maroden Hof gewohnt, dann baute er sich in Langwied einen Aussiedlerhof, in den Erhalt des Pasinger Anwesens hat er nichts mehr investiert, sondern es an den Marmor-Handel vermietet. Dieser muss nun ausziehen, weil für die Gebäude - Wirtschaftsteil und Stall - akute Einsturzgefahr besteht. Laut seinem Gutachter Udo Rieger sind Stahlträger im Kappengewölbe gebrochen, Korrosion weit fortgeschritten, nichts mehr zu retten. Der Wohnbereich sei seit dem Brand 2011 unbenutzbar, zudem schadstoffbelastet. Für Rieger-Anwalt Hauth stellt sich deshalb die simple Frage: "Würden Sie sich mit 3,5 Millionen Euro verschulden, um dieses Ding wieder herzustellen?" Keine Bank würde Rieger in seinem fortgeschrittenen Alter einen derart hohen Kredit gewähren.

Wie wird es nun weitergehen? Das Gericht, so Marion Pauli-Gerz, werde ein Gutachten zur Bausubstanz in Auftrag geben, Fachmeinung einholen. Verhandelt wird in der Sache wegen Überlastung der Kammer wohl erst wieder Anfang 2018. Die Parteien hätten bis dahin viel Zeit, sich noch einmal zusammenzusetzen.

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