Pasing:Baubeginn ohne Ansage

Im Pasinger Süden entsteht eine Notunterkunft. Anwohner und Bezirksausschuss fühlen sich von der Stadt überrumpelt

Von Jutta Czeguhn, Pasing

"Wir wenden uns nicht gegen die Flüchtlingspolitik der Stadt, im Gegenteil; ich stehe voll hinter dem, was in München seit Sommer 2015 geleistet wurde. Mir kommt es aber auf eine richtige, volle Integrierung der Menschen an. Das aber kann hier nicht passieren." Manfred Honisch steht nahe der Baustelle am Pasinger Haidelweg. Er hat einen Hefter voller Unterlagen unter dem Arm, wird umringt von Nachbarn, sie alle pflichten ihm bei. Ja, diese Menschen müssten untergebracht werden, selbstverständlich. Aber nicht hier am Stadtrand, wo der Haidelweg immer schmaler wird und als Sackgasse in einem unbefestigten Feldweg mündet. Ein idyllischer Ort, aber - davon sind die Anwohner überzeugt - völlig ungeeignet für eine Wohnungslosen-Unterkunft mit insgesamt 102 Plätzen. Doch die Bauarbeiten sind in vollem Gang, voraussichtlich Ende September/Anfang Oktober sollen dann anerkannte Flüchtlingsfamilien mit Bleiberecht einziehen können.

Manfred Honisch ist der Sprecher der Interessengemeinschaft am Haidelweg und am Hackelanger, einer, der ruhig argumentiert, der es im Gegensatz zu manchem Betroffenen vermeidet, von "Skandal" zu sprechen oder "gezielter Irreführung". Honisch ist Verwaltungsbeirat einer Eigentümergemeinschaft der Wohnanlage Haidelweg 50-52, die unmittelbar an das städtische Grundstück grenzt, auf dem nun die Unterkunft in Modulbauweise entsteht. "Uns geht es um die Vorgehensweise der Stadt. Die Leute hier wollen wissen, was auf sie zukommt", sagt er. Denn alles, was die Anwohner über das Projekt wissen, hätten sie in Eigenrecherche zusammengetragen; seitens der Stadt habe es kaum Information gegeben. Entsprechend groß war die Verunsicherung, als am 20. Juni die Bauarbeiten für die Unterkunft begannen.

Was die Interessengemeinschaft in Erfahrung gebracht hat und nun den Nachbarn kommuniziert, ist folgendes: Es existieren zwei Stadtratsbeschlüsse vom Januar beziehungsweise Mai 2015, die bestehende Unterkunft für Wohnungslose an der Planegger Straße 125 im Pasinger Süden auf insgesamt 300 Plätze zu erweitern. Zudem hat es zwischenzeitlich einen Beschluss gegeben, auf der nördlichen, bereits planierten Hälfte der Wiese am Haidelweg eine Unterkunft in Leichtbauweise für 90 Bewohner zu errichten. Ein Plan, der im November aufgrund von Platzmangel wieder verworfen wurde. Aus Sicht der Anwohner liegt demnach für das Flurstück, das aktuell bebaut wird, kein Stadtratsbeschluss und auch keine Baugenehmigung vor - zumindest keine, die offiziell bekannt gemacht wurde. Weshalb die direkt Betroffenen auch keine Chance gehabt hätten, ihre Rechte zu wahren. Zudem glauben die Anwohner, dass bewusst Flurstücknummern vertauscht wurden.

"Auch wir aus dem Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing wurden von der Baumaßnahme kalt erwischt", sagt der Vorsitzende Romanus Scholz (Grüne). Das Gremium habe zwar Vorinformationen über die Erweiterung auf dem Gelände der jetzigen Einrichtung an der Planegger Straße bekommen, zudem über eine Notunterkunft für Flüchtlinge in Leichtbauhalle am Haidelweg. Dieses Vorhaben sei dann aber gestrichen worden. Nun habe das Amt für Wohnen und Migration, "ohne uns zu informieren, auf das Grundstück am Haidelweg zurückgegriffen".

Ottmar Schader, Sprecher des Sozialreferates, weist den Vorwurf des Wildbaus zurück: Das Vorhaben sei von der Lokalbaukommission genehmigt. Das kleine Flurstück 1994/1, von dem die Anwohner behaupten, es sei vertauscht ("umdefiniert") worden, sei inzwischen der benachbarten Straße, also dem Haidelweg, zugeschlagen worden und existiere damit nicht mehr. Über die Planungen zu Unterkünften im Stadtbezirk sei auf der Bürgerversammlung Mitte März informiert worden. Allerdings räumt er ein, dass man den Bezirksausschuss über den konkreten Zeitpunkt des Baubeginns am Haidelweg nicht zusätzlich in Kenntnis gesetzt habe.

Die Anwohner am Haidelweg wollen prüfen lassen, ob sie rechtlich gegen die Stadt vorgehen werden. An diesem Dienstag, 5. Juli, wird die Unterkunft auch Thema in der Bezirksausschusssitzung sein; Beginn um 19 Uhr im Pasinger Rathaussaal. Zudem wird es am 19. Juli eine Einwohnerversammlung in der Anne-Frank-Realschule geben, bei der sich die städtischen Referate den Fragen der Bürger stellen wollen.

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