Partnersuche auf Katholisch:Beten, bis die wahre Liebe kommt

Partnersuche auf Katholisch: Sie beten für den einen, den sie neben Gott als irdischen Liebsten bei sich haben wollen.

Sie beten für den einen, den sie neben Gott als irdischen Liebsten bei sich haben wollen.

(Foto: Stephan Rumpf)

In der Allerheiligenkirche in München treffen sich Menschen, die nach der einen richtigen Beziehung suchen. Die Bilanz nach 14 Jahren: zehn Hochzeiten und ein Ordensbeitritt.

Von Milena Hassenkamp

Joseph betet so lange, bis er eine Frau hat. Der 49-Jährige kniet in der vierten Reihe der Münchner Allerheiligenkirche am Kreuz vor einer Putte des heiligen Antonius, dem Schutzherrn der Suchenden. Antonius aus Padua ist für alles zuständig, was man vermissen könnte: vom Schlüssel bis zum Partner. Der katholische Antonius-Gebetskreis betet deshalb zweimal im Monat um gute Ehepartner. Die Bilanz nach 14 Jahren: zehn Hochzeiten und ein Ordensbeitritt.

Petra ist eine von denen, die Erfolg hatten. Ihren vollen Namen möchte die 47-Jährige, wie die anderen Gläubigen, die an diesem Freitagabend in der Kirche sind, nicht in der Zeitung lesen. Obwohl Petra fast schon berühmt ist. Lange hat sie für einen Partner gebetet. Sie ist mit anderen Singles nach Padua zu den sterblichen Überresten des heiligen Antonius gepilgert und wurde dabei sogar gefilmt, als eine von "drei Frauen für Toni", wie es in dem Dokumentarfilm von Johanna Bentz heißt. Petra hat auf den Richtigen gewartet. Gefunden hat sie ihren Mann Markus mit 39. Heute sitzt er neben ihr auf der Bank in der sechsten Reihe. Zwischen ihnen: Tochter Antonia als lebendiges Zeugnis dafür, dass das Singlebeten funktioniert.

München gilt als deutsche "Single-Hauptstadt", die Partner-Börsen machen hier ein gutes Geschäft. Wie schwer es ist, einen Partner zu finden, der den eigenen Ansprüchen genügt, das weiß jeder einzelne von den Männern und Frauen zwischen 29 und 60, die an diesem Freitagabend in die Kirche gekommen sind. Sie alle kennen die enttäuschten Blicke auf den Firmen- und Familienfesten, wenn sie wieder niemanden mitgebracht haben.

Sie alle haben ihr Glück mit Internet-Dating ausprobiert und sind in katholischen Reisegruppen zur Single-Wallfahrt aufgebrochen. Nach Medjugorje zur heiligen Mutter Gottes. Nach Padua zum heiligen Antonius. "Als Gläubige ist man heute schon ein Exot", sagt die 50-jährige Tina, die in der fünften Reihe auf der Bank sitzt und die Augen beim Gebet geschlossen hält. "Als Single ist man es gleich doppelt."

Jetzt knien sie wieder hinter Gerhard Hoffmann, der den Gebetskreis seit 13 Jahren leitet, und hoffen darauf, dass Gott sie erhört. Ihr Blick ist auf Papst Johannes Paul II. gerichtet, dessen Bild direkt neben dem heiligen Antonius steht. Mit ihren katholischen Vorschriften, die Sexualität allein innerhalb der Ehe gestatten und Verhütung versagen, haben die Päpste den Gläubigen ein Leitbild gegeben, dem nicht alle gerecht werden können, sagt Gerhard Hoffmann. Aber alle wollen es versuchen. Lebensabschnittsgefährten gibt es für die Gläubigen nicht: Die Ehe ist ein heiliges Sakrament, das nicht geschieden werden darf.

Die 17 Gläubigen haben etwas, das sie von vielen in der modernen Gesellschaft trennt: ihren Glauben daran, dass es im Leben vor allem einen Partner gibt - Gott. In einer Gesellschaft, in der wechselnde Partnerschaften zur Normalität geworden sind, haben sie es nicht geschafft, den einen oder die eine zu finden, mit der sie eine Familie gründen können. Viele haben deshalb noch nie Sexualität erlebt. Andere haben sich nach gescheiterten Beziehungen entschlossen, zu warten. Einer, der schon lange wartet, ist Joseph aus der vierten Reihe. Ein einziges Mal hat er eine Beziehung gehabt.

55 Prozent

der Münchner Haushalte werden nur von einer Person bewohnt - was noch längst nicht heißt, dass jeder dieser Menschen ein Single ist. Schließlich kann man sehr wohl alleine leben und dennoch in einer Beziehung sein. Absolut betrachtet ist die Zahl der Ein-Personen-Haushalte jedenfalls eindrucksvoll: Es sind 459255.

25 Jahre ist das jetzt her. Gedauert hat sie etwa neun Monate. Seitdem ist Joseph immer wieder verliebt gewesen. Doch erwidert wurde seine Liebe nicht. Deshalb betet Joseph jeden Morgen drei Rosenkränze und zwei Mal im Monat im Gebetskreis. Stolz ist er darauf, dass er es war, der Petra und Markus zusammen gebracht hat. "Gefunkt hat es bei Joseph am Lagerfeuer", verrät das Paar. Wenn Joseph davon spricht, weiten sich seine Augen. Auch er möchte eine Frau wie Petra.

"Gott kann überall wirken - und bedient sich auch des Internets"

In der Allerheiligenkirche tönt eine Predigt vom katholischen Digitalradiosender "Horeb" aus den Boxen. Für seine Veranstaltungen hat der IT-Fachmann Gerhard Hoffmann eine eigene Lichtshow kreiert, die Musikanlage steuert er über sein Smartphone. In dieser Woche geht es im Radio um Mut. Ein Prediger erklärt den Gläubigen über die Stereoanlage: "Gewisse Dinge gibt Gott uns nur, wenn wir mutig sind!" Die Betenden wissen, dass sie nicht nur Gottes Hilfe, sondern auch tatsächliche Verabredungen brauchen, um einen Partner zu finden. Gott zeigt ihnen den Weg - übrigens auch im Netz. Auf der Internetseite des christlichen Heiratsportals Kathtreff heißt es: "Gott kann überall wirken - und bedient sich auch des Internets".

Joseph hat viele Frauen über das Portal angeschrieben, treffen wollte ihn keine. Er ist von seinen Prinzipien überzeugt: "Der Partnerwechsel hinterlässt bloß Schäden in der Seele. Eine Beziehung ist in der heutigen Gesellschaft nichts Besonderes mehr." Das empfinden auch die vier Frauen so, die in den hinteren Reihen knien. Sie sind in den Fünfzigern, haben immer wieder Beziehungen gehabt und festgestellt: "Alle benutzen sich gegenseitig". Das hat sie dazu bewogen, nach etwas anderem zu suchen. "Mich haben Männer nie glücklich gemacht", sagt eine von ihnen, "es hat einfach immer wieder weh getan".

Nach dem Ende der Radio-Predigt greift Gerhard Hoffmann zum Mikro und betet zum heiligen Antonius: "Schenke uns gute Ehepartner und heilige unsere Familien". Dann tauscht er das Mikro gegen einen Rosenkranz, den ihm seine Mutter zu seiner ersten Single-Wallfahrt mitgegeben hat. Routiniert schiebt Gerhard Hoffmann die Perlen seines Rosenkranzes durch die Finger und spricht das Gebet mit der immer gleichen Intonation. Seine Stammbeter antworten im Chor.

Gemeinsam sprechen die Gläubigen in der Kirche nun ein Gedicht. Es ist modern, von 2015. Und es bittet um einen "Herzensplatz". Joseph schließt die Augen. "Herr, Jesus Christus, wir alle sind gekommen mit einem suchenden Herz. . ." Heilige, das spürt Joseph in den letzten Jahren immer deutlicher, reichen ihm nicht für ein erfülltes Leben. Immer hat er deshalb mit Gott und seinem Glauben gehadert. Joseph faltet die Hände vor seiner Brust. "Du weißt, was jedes Herz braucht, um glücklich zu sein. Einen Platz in einem anderen Herzen."

Einerseits haben die Teilnehmer des Gebetskreises ihre Überzeugungen. Andererseits verliert, wer sein ganzes Leben lang wartet, irgendwann den Mut und wünscht sich schließlich nur noch eines: "geliebt zu werden". Nur wird das mit den Jahren immer schwieriger, bilanzieren die vier Frauen aus den hinteren Reihen nüchtern. Die Männer in ihrem Alter seien meist die letzten Übriggebliebenen. "Mit 56 meinen die noch, sie könnten eine Familie gründen", sagt die 52-jährige Franziska. "Die wollen dann immer eine Jüngere".

Als einzige der wenigen Frauen trägt Franziska kein Kreuz um den Hals, sondern ein Steuerrad. Franziska hat ihr Leben selbst in der Hand. Auf einen Mann, sagt sie, sei sie nicht angewiesen. Doch natürlich hätte sie gerne einen - aber einen, der sie respektiert. Manches stört sie am katholischen Frauenbild, das der Frau auch auf der Single-Börse nur eine passive Rolle zugesteht, was die Sachbearbeiterin als nicht mehr zeitgemäß empfindet. "Mit über 50 Jahren aufhören zu arbeiten, weil der Mann das Geld verdient? Den Haushalt führen? Dafür ist es wirklich zu spät."

Es ist fast acht Uhr am Freitagabend. Joseph hält in der Kirche den Gebetstext fest zwischen seinen Händen. Er liest weiter aus dem Gedicht: "Auch meine Herzenstüre, oh Herr, steht weit offen für das suchende Herz. Lass mich diesen Menschen unter all den vielen der Welt erkennen." Joseph betet noch immer, aber er weiß auch: "Man kann sich eine Frau nicht herbeten". Der 49-Jährige hat sich an die Einsamkeit gewöhnt. Freunde und Familie fragen schon längst nicht mehr, wo seine Partnerin sei. Wie das aber wäre, wenn er niemals jemanden findet? "Scheiße", entfährt es ihm.

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