Ottfried Fischer und der Boulevard:Der Fall eines Schwergewichts

Was der Schauspieler erlebte, ist exemplarisch dafür, wie Prominenten-Geschichten ausgeschlachtet werden - wenn sich die Beteiligten nicht rechtzeitig dagegen wehren.

Obwohl das ganze Land bereits im WM-Fieber war, berichtete die Bild-Zeitung Mitte Juni tagelang über eine Affäre des populären Schauspielers. Sein "Bikini-Mädchen", eine Bekanntschaft aus einem Wiener Lokal, zierte die Titelseiten; genüsslich wurden Begegnungen im Rotlicht geschildert. Und der Boulevard hatte ein Traumthema: eine national bekannte Figur mit hohen Einschaltquoten, die das völlig Unerwartete tut.

Der Sturz des "Bullen von Tölz", der seine Frau betrügt und sich vor der ganzen Nation dafür entschuldigt, sorgte für Rätsel. Denn statt von Anfang an einen Anwalt einzuschalten und rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichung eines heimlich aufgenommenen Fotos zu unternehmen, ließ sich Fischer von Reportern zu seiner zweifelhaften Liebschaft befragen. Die Peinlichkeit erreichte einen grotesken Höhepunkt, nachdem er sich bei einem Unfall auch noch die Schulter ausgekugelt hatte und sich am Krankenbett ablichten ließ.

Details in wohl dosierten Portionen

Die Darstellung des erbarmungswürdigen, halbnackten Büßers wurde als heiße Sommerware angeboten, eine kabarettreife Inszenierung. Dabei waren diese Fotos nicht mal gestellt und mit Einverständnis des Schauspielers entstanden. Erstaunlich auskunftsfreudig zeigte sich auch Fischers Ehefrau, die zugleich seine Managerin ist. "Ich kann ja Bild nicht zum Feind erklären. Man kann nicht einfach nichts sagen, wenn man Spekulationen vermeiden will", begründete Renate Fischer ihr Krisenmanagement.

In wohl dosierten Portionen wurden Details ausgebreitet und Mitwisser zitiert, bis als Krönung des Melodrams die Versöhnung der Eheleute am Boulevard gefeiert werden konnte. Mit welchen Mitteln und Quellen das Massenblatt für diese Enthüllungsgeschichte gearbeitet hat, darüber kann man nur spekulieren. Doch der Fall Fischer zeigt auch, dass manche Prominente einen Teil ihres Selbstwertgefühls über schiere Medienpräsenz beziehen, egal welcher Qualität sie ist. Frei nach dem Motto Oscar Wildes: "Es ist schlimm, wenn alle über einen reden, aber es ist noch schlimmer, wenn keiner über einen redet."

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