Ortsgestaltung:Kritik am hohen Turm

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Bürger sehen durch Bauprojekt am Feldmochinger Bahnhof den Dorf-Charakter des Viertels in Gefahr

Von Simon Schramm, Feldmoching/Hasenbergl

Die Anwohner durften bereits in einem Workshop und bei zwei Podiumsgesprächen sagen, was sie von den Bauplänen für die Brachflächen östlich des Feldmochinger Bahnhofs halten. Nun, beim vierten Aufeinandertreffen mit den Planern, wurde deutlich, dass vielen Nachbarn die Bebauung immer noch nicht geheuer ist. Etwa 150 bis 200 Bürger waren am Dienstagabend gekommen, um sich über die Pläne zu informieren. Das Immobilienunternehmen CA Immo will auf den Arealen an der Ratold- und Raheinstraße ein Quartier mit 900 Wohnungen hochziehen. Noch bis zum Donnerstag, 16. November, liegt die Rahmenplanung zur Einsicht aus, Stadt und Bauherr luden in die Berufsschule neben der Panzerwiese zur Diskussion über die Pläne. Zeitweise geriet die Debatte zu scharfer Kritik: "900 Wohnungen sind deutlich zu viel", schimpfte ein Bewohner zum Beispiel, gefolgt von großem Beifall aus dem Publikum.

Reinhard Sachsinger vom Verein "Rettet den Münchner Norden" warf der Stadt vor, eine wesentliche Forderung aus der Bürgerbeteiligung nicht zu erfüllen. "Statt der Berücksichtigung des dörflichen Charakters entsteht nun ein Klein-Manhattan in Feldmoching", sagte er. Sachsinger spielte auf das Gebäude an, das in der Mitte des Quartiers liegen soll: Ein elf Geschosse hoher Turm für Büros und Gewerbe neben dem Nahversorger am Bahnhof. Ursprünglich sollte er 14 Geschosse aufweisen, wurde aber nach der ersten Kritik gekürzt. Bei vielen Feldmochingern bleibt die Furcht, ob der zusätzliche Hochpunkt der örtlichen Kirche Konkurrenz machen wird. Wie Sachsinger bezweifeln einige Feldmochinger, dass sich der Turm und andere Bauten mit bis zu sieben Geschossen im Neuquartier mit dem Bestand vertragen. Sachsinger sammelt derzeit Unterschriften für ein Paket an Einsprüchen. Gefordert wird darin auch, weniger Wohnungen zu bauen und mehr Grün zu belassen.

So oder so ähnlich könnte es werden: Neubauten (links) setzen moderne Akzente neben den Bestand entlang der Bahnlinie. (Foto: 03 Architekten/CA Immo)

Konträr zur Skepsis mancher Viertelbewohner steht der Zuspruch der Quartiersentwickler. Stadtplaner Hans Konrad lobte die "Vielfalt in Umsetzung und Bewohnerschaft" der Siegerentwürfe des städtebaulichen Wettbewerbs, die er so selten in München erlebt habe; sowohl die Anzahl der Wohneinheiten als auch die Höhe des Turmes hätten im Stadtrat Zustimmung erfahren. In der neuen Siedlung sollen Atriums- und Reihenhäuser genauso wie Geschossbauten und geförderte Wohnanlagen vertreten sein. Auch Baudirektorin Sabine Steger hob hervor, dass das Quartier durchaus kleinteilig sei und sich maßvoll an die Umgebung anpasse, "aber vor dem Hintergrund, dass Wohnraum geschaffen werden soll". Im Gebiet der Raheinstraße sollen die Gebäude in der Mehrheit auf zwei, aber höchstens bis zu vier Stockwerken reichen, an der Ratoldstraße sollen sich vor allem Fünf- und Sechs- bis Siebenstöcker entlang der Bahngleise mit vielen Dreigeschossbauten nahe der Straße mischen.

Neben dem Missmut über das Wachstum des Viertels ist es vor allem der Verkehr, der viele Einwohner umtreibt. Die Hinzugezogenen werden in Tiefgaragen Platz für ihre Autos finden - ein Stellplatzschlüssel von 1,0 reicht aus Sicht der Bewohner nicht aus. Für Besucherparkplätze ist ein Schlüssel von eins zu 13 angelegt.

Verkehrsplaner Robert Adam begründete die Entscheidung mit der guten öffentlichen Anbindung. Er verwies auf Untersuchungen, wonach im Neuquartier und dessen Umgebung ein Parklizenzgebiet entstehen könnte, das Fremdparker vertreiben solle. In Verbindung mit einer Erweiterung der Park-and-ride-Plätze auf 300 Stück hält die Verwaltung die Stellplätze für ausreichend, auch für die Einwohner. Verkehrsplaner Adam geht auch davon aus, dass der geplante Anschluss der Schleißheimer Straße an die A 99 die Verkehrssituation in Feldmoching entlasten wird und das Viertel den zusätzlichen Verkehr aufnehmen kann.

Niedriger wäre besser: Die Bürger kritisieren die Höhe des Turms, der die Mitte des Quartiers prägen soll. (Foto: 03 Architekten/CA Immo)

Für das historische Gebäude an der Raheinstraße 3 scheint es keine Aussicht auf Erhalt mehr zu geben, weil sich nach wie vor keine Nutzung gefunden hat. Das Gebäude soll darum abgerissen werden und von einer der drei vorgesehenen Kindertagesstätten, womöglich auch Wohnungen ersetzt werden; zumindest die Bäume auf dem Gelände sollen bleiben. Die Verwaltung erwartet, dass es noch etwa zweieinhalb Jahre dauert, bis die Planung steht. Zuletzt muss der Stadtrat die Pläne billigen und entscheiden, wie er mit den Einwänden aus Feldmoching umgeht.

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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