Vergabe von Spenderorganen:Verdacht auf Manipulation erhärtet sich

Im Klinikum rechts der Isar gibt es weitere Ungereimtheiten bei Lebertransplantationen: Trotz Metastasen hatten zwei Krebspatienten eine Leber erhalten - und die Organvermittlungsstelle widerspricht in den beiden Fällen jetzt der Darstellung des Klinikums.

Christina Berndt

Die Erklärungsnot der Verantwortlichen am Klinikum rechts der Isar wächst erneut. Erst am Montag hatte die Klinikleitung einräumen müssen, dass zumindest einem Patienten wohl doch mit Vorsatz eine Spenderleber zugeschoben wurde. Nun gibt es Ungereimtheiten in zwei weiteren der insgesamt neun Fälle von Lebertransplantationen am Rechts der Isar, in denen die Bundesärztekammer (BÄK) derzeit Unregelmäßigkeiten prüft. In diesen zwei Fällen hatten Krebspatienten eine Leber erhalten, deren Erkrankung offenbar bereits metastasiert war. Einer der beiden Patienten ist kurze Zeit nach der Transplantation verstorben.

Klinikum rechts der Isar

Das Rechts der Isar bekommt in dem Bericht der Prüfer ein vernichtendes Urteil ausgestellt.

(Foto: dpa)

Metastasen seien ein klares Ausschlusskriterium für eine Lebertransplantation, monierte BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Dass die Patienten trotzdem ein Organ bekommen haben, sei kaum zu begründen und lasse sich aus seiner Sicht auch nur schwer mit einem Versehen erklären. Dem hatte der Leiter des Transplantationszentrums am Klinikum rechts der Isar, Uwe Heemann, widersprochen. Es habe sich um sehr langsam wachsende Tumore gehandelt, bei denen eine Transplantation auch dann noch sinnvoll sei, wenn bereits Metastasen vorliegen, sagte er. "Dass die Patienten einen Platz auf der Warteliste bekamen, war mit der Organvermittlungsstelle Eurotransplant abgesprochen", so Heemann.

Doch das war offenbar nicht der Fall. Es habe keine Absprachen über die Aufnahme von Patienten auf eine der Wartelisten mit Eurotransplant gegeben, sagte deren medizinischer Direktor Axel Rahmel zur SZ. Eurotransplant könne bei der Vermittlung von Spenderorganen wohl kaum Verstöße gegen die Transplantationsrichtlinien genehmigen. "Allein die Transplantationszentren sind für die Entscheidung über die Aufnahme auf eine der Wartelisten verantwortlich", sagte Rahmel.

Sofern die beiden Patienten tatsächlich Metastasen entwickelt hatten, dürften ihre Transplantationen somit gegen das Transplantationsgesetz verstoßen. Darauf stehen Geldbußen bis zu 30.000 Euro. Ein Versehen gilt als unwahrscheinlich, da Fachärzten im Bereich der Transplantationsmedizin das Ausschlusskriterium Metastasen wohlbekannt ist. Zu groß ist die Gefahr, dass bei solchen Patienten das Spenderorgan kaum noch helfen kann. Neben der Dringlichkeit gehört aber auch die Erfolgsaussicht zu den Kriterien für eine Organvermittlung.

Die neuen Widersprüche rund um die neun Verdachtsfälle des Organ-Betrugs am Klinikum rechts der Isar machen Fachleute skeptisch. Sie befürchten, dass sich auch weitere Verdachtsfälle als vorsätzliche Manipulation herausstellen könnten. Tagelang hatte sich die Klinikleitung überzeugt gezeigt, dass die Auffälligkeiten bei den Lebertransplantationen in ihrem Haus lediglich auf Versehen zurückzuführen waren. Diese Einschätzung musste sie am Montag revidieren. Da kehrte ein Arzt aus dem Urlaub zurück und präsentierte der überraschten Klinikleitung das Gedächtnisprotokoll eines Kollegen zu einem fragwürdigen Transplantationsfall.

Nach Informationen der SZ legt dieses Protokoll nahe, dass ein Laborwert des Patienten vorsätzlich manipuliert wurde. So bekam er vorzeitig eine Spenderleber zugeteilt. Dabei stammt die zugehörige Blutprobe nachweislich nicht von dem betreffenden Patienten auf der Warteliste. Sie wurde ihm wohl zugeordnet, um ihm schneller eine Leber zu verschaffen. Einfaches Vertauschen gilt nach SZ-Informationen als ausgeschlossen.

Der Fall liegt inzwischen bei der Staatsanwaltschaft. Es hätten sich "Anhaltspunkte ergeben, dass eine Manipulation nicht ausgeschlossen werden kann", ließ Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) erklären. "Diese neuen Erkenntnisse nehmen wir sehr ernst." Ähnlich äußerte sich Klinikdirektor Reiner Gradinger. Ob sich der Vorsatz belegen lasse, müsse aber die Staatsanwaltschaft klären, betonte eine Ministeriumssprecherin: "Es ist auch nicht völlig auszuschließen, dass es am Ende doch keine aktive Manipulation war." Über die möglichen Motive der Ärzte lässt sich nur spekulieren. Die fraglichen Patienten seien jedenfalls gewöhnliche Kassenpatienten gewesen, hieß es aus Klinikkreisen.

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