Kritik:Feines Spiel der Mimik

Kritik: "Je t'aime" - Pelléas (Samuel Hasselhorn) und Mélisande (Julia Grüter) gestehen sich ihre Liebe.

"Je t'aime" - Pelléas (Samuel Hasselhorn) und Mélisande (Julia Grüter) gestehen sich ihre Liebe.

(Foto: Ludwig Olah/Staatstheater Nürnberg)

"Pelléas et Mélisande" in einer konzertanten Aufführung im Staatstheater Nürnberg.

Von Klaus Kalchschmid, Nürnberg

Für diesen plötzlichen Moment des zarten Geständnisses ihrer Liebe treten Pelléas und Mélisande in der wunderbar dichten, auch ohne Szene enorm stimmungsvollen konzertanten Aufführung der gleichnamigen Debussy-Oper in Nürnberg von ihren Notenpulten nach vorn und sehen sich erstmals in die Augen. "Je t'aime" bricht es aus ihm heraus; in die Stille flüstert sie: "Je t'aime aussi!"

Das war ein zauberhafter Augenblick der staunenden Erkenntnis bei einer Aufführung, in der sich alles auf das Orchester, das gesungene Wort und die Mimik der Protagonisten konzertierte. Corona-bedingt konnte das Bühnenbild nicht rechtzeitig fertiggestellt werden, aber Jens-Daniel Herzog, Intendant und geplanter Regisseur der szenischen Aufführung, die es nun erst in zwei Jahren geben wird, hat dennoch mit den Darstellern gearbeitet. Das konnte man erkennen an sprechender Mimik, ausgefeilter Artikulation und feinem Ausdruck der vertonten Worte.

Das war freilich auch das Verdienst von Joana Mallwitz am Pult der Staatsphilharmonie Nürnberg. Denn obwohl Sängerinnen und Sänger vor dem Orchester mit dem Rücken zur Dirigentin standen, herrschte traumhafte Kongruenz zwischen instrumentaler und vokaler Expression. In jedem Takt war hörbar und zu spüren, dass alle eigentlich hätten auswendig singen können, so intensiv gingen Singen und Blicke ins Publikum.

Kritik: Faszinierend abgemischte gedeckte Farben, geschmeidige Tempi: Joana Mallwitz am Pult.

Faszinierend abgemischte gedeckte Farben, geschmeidige Tempi: Joana Mallwitz am Pult.

(Foto: Ludwig Olah/Staatstheater Nürnberg)

Ungemein prägnant und frei gestalteten vor allem die drei Protagonisten ihre Partien: Sangmin Lee war mit dunkel glühendem Bariton ein erschreckend jähzorniger Golaud. In seiner immer wieder gefährlich ausbrechenden Eifersucht angesichts der Beziehung von Mélisande zum jungen Halbbruder Pelléas misshandelt er seine Frau körperlich, was man hier mit umso größerem Entsetzen "nur" hört. Noch die Sterbende quälte er mit seiner absurden Forderung nach "Wahrheit", setzte aber auch seinen kleinen Sohn unter Druck als Spion vor dem Fenster, hinter dem Mélisande und Pelléas stumm stehen. Alma Unseld - eingesprungen für die corona-bedingten ausgefallenen Windsbacher Knaben - klang als Yniold mit raffiniert vibratoloser Stimme wie ein Junge.

Der 31-jährige Samuel Hasselhorn hatte den heller und jünger klingenden Bariton, bewältigte aber nicht minder ausdrucks- und farbenreich die hohe Tessitura des Pelléas, während Julia Grüter mit schlichter Klarheit und Schönheit Mélisande sang, in der Sterbeszene aber auch erschütternd fahle Töne wagte. Helena Köhne gab als Geneviève die resignierende Mutter von Pelléas und Golaud, Taras Konoshchenko war der greise Großvater der beiden.

Joana Mallwitz entlockte ihrem Orchester oftmals faszinierend abgemischte gedeckte Farben und gestaltete geschmeidig in den Tempi. An den wenigen, umso entscheidenderen Momenten großer Intensität und Emotionalität und in den Zwischenspielen fand sie mit ihrem exzellenten Orchester aber auch zu großer dramatischer Spannkraft, die immer wieder unter die Haut ging.

Auf www.br-klassik.de ist die Live-Übertragung unter "Gesamtes Programm" und dem Termin 23. Januar (19 Uhr) bis auf Weiteres nachzuhören.

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