Olympiapark:Oper unter Freunden

Carmina Burana

7000 Menschen kamen am Samstag zur Carmina-Burana-Aufführung der katalanischen Aktionstheatergruppe Fura del Baus in den Olympiapark.

(Foto: Andreas Gebert)

Mit einer Carmina-Burana-Aufführung feiert Tollwood seinen 30. Geburtstag

Von Thomas Jordan

Die katalanische Aktionstheatergruppe La Fura del Baus (die Kanalratten) ist berühmt für ihre Lust am Skandal: Mal nehmen die Tänzer und Schauspieler ihr Publikum als Geisel, mal schocken sie mit Vergewaltigungsszenen. La Fura del Baus' Inszenierung von Carl Orffs mittelalterlicher Liedersammlung "Carmina Burana" zum 30. Geburtstag des Tollwood-Festivals zeigt nun: Die Katalanen können auch ganz sanft sein. Den Orff'schen Lauf des Schicksals inszeniert Regisseur Carlus Padrissa auf der Seebühne am Olympiasee in poetisch-fließenden, beinahe zarten Bildern: Das Rad der Fortuna dreht hier die Kraft der Intimität. Etwa wenn die Schauspielerin Luca Espinosa, mit weiß geschminktem Gesicht und hautengem Body im "Reigen" in einem durchsichtigen und bis zum Rand gefüllten Behälter einen Unterwasser-Ur-Tanz aufführt. Der Madrigalchor der Musikhochschule München singt dazu unter dem umsichtigen Dirigat Irina Roosz' von den rosafarbenen Lippen und den Mägdelein, die den Gesellen erwarten. Die gelöste Nähe der Inszenierung passt wunderbar zu einem Abend, der wie ein Treffen unter alten Freunden wirkt. Wie ein sehr großes Treffen allerdings. Knapp 7000 Menschen sitzen auf den Hängen rund um den Olympiasee. Viele aus dem Publikum sind mit dem Tollwood groß geworden und freuen sich über den anhaltenden Erfolg des Festivals. Es wird gekichert, hier und da riecht es nach Flower-Power. Diejenigen, die es nicht mehr in die abgesperrten Bereiche geschafft haben, breiten ihre Isomatte kurzerhand auf dem Teerboden vor der Olympiahalle aus.

Die Akustik ist an diesem Abend so wie bei vielen Freiluftinszenierungen. Wind- und wetterabhängig. Aber schon die furiosen Farben- und Formenspiele von Regisseur Carlus Padrissa entwickeln einen Sog, der einen in die mittelalterlichen Geschichten um Liebe, Leid und Schicksalsmacht hineinzieht. Dabei fehlen auch die abgründigen, die schrägen Bilder an diesem Abend nicht: Etwa wenn der Countertenor und Barockspezialist Jordi Domènech zum Schwanengesang von "Olim lacus colueram" in einer Halterung an der Spitze eines Bühnenkrans in der Luft liegt. Hinter ihm, auf der sieben Meter hohen Leinwand wird dazu ein Essensteller projiziert auf dem sich Bohnen, Soße und ein leerer Fleck befinden. Dort kommt in Carlus Padrissas Inszenierung der Countertenor zu liegen. Der Sänger als Fleischbeilage. Am Ende gibt es für diese warme und witzige Inszenierung am Olympiasee von Carl Orffs Schicksalsgesängen minutenlange Standing Ovations.

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