Olympiapark:Die Münchner im Himmel

Olympiapark: Renovierung des Olympiaturms.Die Streicharbeiten müssen mit Fassadenkletteren gemacht werden.

Renovierung des Olympiaturms.Die Streicharbeiten müssen mit Fassadenkletteren gemacht werden.

(Foto: Catherina Hess)

Der Olympiaturm ist mehr als 50 Jahre alt und muss saniert werden. Darum arbeiten zurzeit fünf Industriekletterer auf der höchsten und spektakulärsten Baustelle der Stadt.

Von Sara Peschke

Wenn Lukas Winterer während seiner Arbeit eine Wurstsemmel essen möchte oder schnell mal auf die Toilette, muss er 268 Meter in die Tiefe. Die ersten paar Meter seilt er sich mit einem Bauchgurt ab, dann klettert er 294 Stufen hinab und auf den letzten 190 Metern hilft ihm ein schmaler Aufzug. Klingt mühsam? Dafür sieht Winterer bei gutem Wetter täglich die Zugspitze, die Fröttmaninger Arena, die Theresienwiese, die Frauenkirche und das Nymphenburger Schloss - von oben. Winterer ist einer aus einer Handvoll Industriekletterer, die gerade jeden Morgen bis knapp unter die Antenne des Olympiaturms kraxeln, um dort bei den Renovierungsarbeiten des Münchner Wahrzeichens zu helfen.

"Die Jungs streichen den oberen Teil der Funkanlage wieder rot-weiß", sagt Georg Steinbeck, "dort, wo die verrosteten Stellen ausgebessert wurden". Steinbeck ist der Bauleiter der höchsten Baustelle Münchens, er arbeitet für die Deutsche Funkturm GmbH, eine Tochter der Telekom. Die ist Miteigentümerin des insgesamt 291 Meter hohen Turms und deshalb mitverantwortlich für die Instandhaltung.

Als bei kleineren Wartungsarbeiten vor etwa zwei Jahren schadhafte Stellen im Beton und an Bodengittern gefunden wurden, war klar, dass auf Steinbeck eine Menge Arbeit zukommen würde; eine Baustelle in mehr als 200 Metern Höhe stellt alle Beteiligten vor enorme Herausforderungen.

Steinbeck, ein gelernter Bautechniker, kommt ordentlich ins Schnaufen, als er die schmalen Stufen und Leitersprossen zur höchsten Arbeitsplattform hinaufsteigt, oben in der Sonne angekommen, ist sein T-Shirt durchgeschwitzt. Er will es sich nicht nehmen lassen, dem Besuch persönlich alles zu zeigen, es ist ja seine Baustelle, sein Riesen-Baby, und er ist stolz darauf. Der logistische Aufwand ist erheblich. 40 Tonnen Material mussten in mehr als 200 Meter Höhe gebracht werden.

Dafür wurden ein spezieller Außenaufzug und eine riesige Hebebühne an den Turm gebaut, leichtere Teile schleppten die Arbeiter per Hand. Rund um die Baustelle wurden grüne Sicherheitsnetze befestigt, damit niemand im Olympiapark verletzt werden kann. "Wenn da eine von diesen Schrauben jemandem von hier oben auf den Kopf fällt, dann kann der tot sein", sagt Steinbeck. Ein größeres Teil könne sogar bis zum Mittleren Ring fliegen.

Weil er weder die Touristenattraktion noch den Park für die Zeit der Bauarbeiten komplett sperren lassen konnte, richtete Steinbeck rund um den Turm einen Sicherheitsradius von 32 Metern ein, zudem ist die obere Aussichtsplattform derzeit nicht begehbar. Viele der Arbeiten müssen trotzdem nachts ausgeführt werden, damit kein Besucher gefährdet wird. Seit März dieses Jahres hat Steinbeck deshalb viele Nächte auf seiner Baustelle verbracht, "das geht schon an die Substanz", sagt er. Zumal die Arbeiten etwa zwei Wochen länger dauern werden als ursprünglich geplant: Ende Juli will Steinbeck mit allem fertig sein. "Dann ist Sommerfest im Olympiapark, bis dahin sollten wir es geschafft haben", sagt er.

Steinbeck hält sich an einem der dicken Drahtseile fest und blinzelt in Richtung Turmspitze. Etwa zehn Meter über ihm hängen die Kletterer in den Sicherheitsgurten und verrichten die letzten Handgriffe vor der Mittagspause. Sie kennen es schon, dass der Chef ab und an unangekündigt auf der Baustelle erscheint. Steinbeck würde es nicht so sagen, aber auf diese Weise bringt er die Arbeiter dazu, zu jeder Zeit alle erforderlichen Vorkehrungen für die Sicherheit einzuhalten.

Bei Gewitter oder Windstärke 5 müssen alle runter

Er weiß, dass er mit dieser Baustelle eine besondere Verantwortung trägt. Gleichzeitig muss er darauf achten, dass die Kosten die Grenzen nicht übersteigen; einen hohen sechsstelligen Betrag muss die Telekom für die Renovierung einkalkulieren. Seit der Eröffnung des Turms im Jahr 1968 wurde nur wenig daran gemacht, und nun tauchten während der Bauarbeiten immer wieder neue kleine Probleme auf.

"Die Kletterer wurden auch aus finanziellen Gründen engagiert, der Bau eines Gerüsts in dieser Höhe wäre deutlich teurer gewesen", sagt Steinbeck. Lukas Winterer seilt sich neben ihm in die verdiente Pause ab. Schwindel oder Angst habe er nicht, wenn er da oben beinahe im Himmel hänge, unter ihm 200 Meter nichts, sagt Winterer, "es ist mein Job. Aber Respekt habe ich." An diesem heißen Sommertag müssen er und seine Kollegen sich vor allem vor der Sonne schützen, doch oft weht in der Höhe ein starker Wind. "Ab Windstärke 5 wird es zu gefährlich", sagt Steinbeck. "Auch bei Gewitter müssen alle runter." Als es im Frühjahr einmal am Boden geregnet habe, sei auf der Baustelle Schnee gefallen, sagt Steinbeck. Wie in einer Parallelwelt, hoch oben über der lauten Stadt.

Dann zieht es Steinbeck auf die geöffnete, untere Besucherplattform, dorthin, wo Touristen auf das Häusermeer schauen und wo große Fotos die Geschichte des Olympiaturms erzählen. Steinbeck ist jetzt ein Teil davon, als Chef der aufregendsten Baustelle weit und breit.

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