Olympia-Entscheidung: Folgen:Der Dominoeffekt

Die Münchner Olympia-Träume sind geplatzt - damit sterben auch wichtige Bauprojekte. Vor allem die Nutzer des völlig überlasteten Münchner S-Bahn-Netzes sind betroffen: Der Bau der zweiten Stammstrecke könnte sich um Jahre verzögern.

Dominik Hutter

Die zentrale Frage, darauf haben sich die wichtigsten Politiker und Sportfunktionäre geeinigt, wird erst später und in aller Ruhe entschieden: Ob sich München, Garmisch-Partenkirchen und Königssee nochmals bewerben. Trotzdem sind natürlich am Abend der Entscheidung einige vorgeprescht und haben schon einmal München 2022 ins Spiel gebracht. Schließlich hat man ja nun ein fertiges Sportstättenkonzept vorliegen.

Olympia-Entscheidung: Folgen: Für viele Bauprojekte bedeutet das Scheitern Münchens das Aus, auch das neue Olympiadorf wird nicht gebaut.

Für viele Bauprojekte bedeutet das Scheitern Münchens das Aus, auch das neue Olympiadorf wird nicht gebaut.

(Foto: Simulation: Léon Wohlhage Wernik Architekten)

Wie diese Gespräche letztlich ausgehen, ist offen. Für die Bewerbungsgesellschaft sind sie existenziell. Denn von ihnen wird es abhängen, was aus der im Münchner Stadtteil Moosach angesiedelten Organisation wird, die ansonsten überflüssig ist. Sie müsste abgewickelt werden.

Zuvor aber wird sie eine Abschlussbilanz vorlegen müssen, in der eine peinliche Lücke von 6,5 Millionen Euro klaffen wird. Diese Summe konnte nicht über Sponsoren eingesammelt werden, sie muss in gleichen Teilen von Bund, Freistaat und Stadt München aufgebracht werden. Garmisch-Partenkirchen und der Landkreis Berchtesgadener Land waren jedes finanziellen Risikos entbunden worden, ebenso der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB).

Die eiskalte Dusche von Durban hat vor allem für die Stadt München unangenehme Folgen, erhält sie doch einige für Olympia erhoffte Bauten gar nicht oder erst wesentlich später. Opfer Nummer eins sind die immerhin 880 Wohnungen des Olympischen Dorfes, das die Stadt auch in Eigenregie nicht einfach errichten kann. Denn es wird kein Grundstück dafür zur Verfügung stehen - die Bundeswehr, so war es von vornherein abgesprochen, rückt ihr Areal an der Dachauer Straße nur im Falle eines Olympia-Zuschlags heraus.

Den aber hat nun Pyeongchang erhalten, und so bleibt die Bundeswehrverwaltung auch künftig in ihren locker ins Grüne platzierten Büroriegeln. Dies dürfte vor allem die Bewohner eines Bundeswehr-Gebäudes an der Hedwig-Dransfeld-Allee freuen, die nun in ihren gewohnten vier Wänden bleiben können. Das Haus wäre den Olympia-Plänen im Wege gestanden.

Ausfallen wird nun die geplante Erweiterung des Olympiaparks - sie sollte, in Richtung neues Olympiadorf, auf dem bundeseigenen Grundstück erfolgen. Ob die beiden Sport- und Mehrzweckhallen im Olympiapark, die bei einem Zuschlag als Eishockey-Arenen gedacht waren, gebaut werden, hängt vom Münchner Stadtrat ab. Eine Diskussion in diese Richtung ist auf jeden Fall zu erwarten.

Zweite Stammstrecke dürfte sich verzögern

Denn das noch von 1967 stammende Eissportzentrum unterhalb des Olympiaturms gilt als dringend erneuerungsbedürftig, und die geplante Arena anstelle des maroden und leerstehenden Radstadions wird von Sportlern wie Konzertveranstaltern seit Jahren herbeigesehnt.

Immerhin spielen Münchner Mannschaften sowohl im Eishockey als auch im Basketball erstklassig. Als Konzerthalle könnte die Arena mit ihren 7000 Zuschauerplätzen genau die Lücke zwischen Olympiahalle und dem Zenith in Freimann füllen. Anders als bei Olympischen Winterspielen, wo Freistaat und Bund mit erheblichen Summen mit im Boot gewesen wären, müsste die Stadt die Neubauten nun alleine stemmen. Oder nach einem Investor suchen. Die bereits gegründete Stadtwerke-Tochter "SWM2018", die für die Neubauten im Olympiapark zuständig sein sollte, wird wohl rasch wieder von der Bildfläche verschwinden.

Auch im Verkehr dürften einige Projekte wieder in der Versenkung landen. Beim Kramertunnel in Garmisch wird zwar bereits ein Erkundungsstollen in den Fels gesprengt. Der geplante Wanktunnel bei Partenkirchen taucht aber trotz vorliegenden Planungsrechts im "weiteren Bedarf" des Bundesverkehrswegeplans auf, einer eigentlich aussichtslosen Kategorie. Der Ausbau der streckenweise nur eingleisigen Bahntrasse zwischen München und Garmisch-Partenkirchen ist im bundesweiten Bedarfsplan Schiene gar nicht erst aufgeführt.

Am heftigsten ist allerdings das Münchner S-Bahnnetz betroffen, das die wachsenden Fahrgastzahlen immer schlechter bewältigen kann. Denn der geplante zweite Stammstrecken-Tunnel unter der Innenstadt, das hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) kürzlich klargemacht, dürfte sich ohne Olympiazuschlag um Jahre verzögern - weil dann der für die Finanzierung wichtige Olympia-Schub ausbleibt.

Diese Aussage steht nach wie vor im Raum, obwohl das Projekt ursprünglich völlig unabhängig von den Winterspielen 2018 geplant wurde und die Staatsregierung schon seit Jahren suggeriert, die Finanzierung sei eigentlich so gut wie unter Dach und Fach. Dass dem nicht so ist, müssen derzeit die Münchner S-Bahn-Fahrgäste ausbaden - mit pannenreichem Stop-and-go-Verkehr im Tunnel von 1972, der heillos überlastet ist.

Am Zeitplan des zweiten S-Bahn-Tunnels hängt aber auch noch ein anderes Großprojekt in München: der Neubau des Hauptbahnhofs. Denn um das neue Zugangsbauwerk zur S-Bahn zu bauen, müssen Teile des 50er-Jahre-Baus abgebrochen werden. Es gilt als undenkbar, den Komplex später im alten Stil wiederaufzubauen. Noch unwahrscheinlicher ist freilich eine andere Variante: erst Bahnhof, dann S-Bahn. Denn dann müssten wohl Teile des Neubaus wieder abgerissen werden.

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