Okwui Enwezor im Haus der Kunst:Angekommen in der Provinz

Bis jetzt organisierte er Ausstellungen von Johannesburg bis New York, nun hat der amerikanisch-nigerianische Kunstfachmann Okwui Enwezor sein Amt als neuer Leiter im geschichtsträchtigen Haus der Kunst angetreten - und München liegt ihm zu Füßen.

Anna Fischhaber

Er ist der international am besten vernetzte, klügste, höflichste Museumschef, den man derzeit bekommen kann. Zumindest wenn man den Begeisterungsbekundungen, die seit Monaten in München zu hören sind, glaubt. Ein wenig wundert man sich, was so ein Kunstfachmann von Welt, der bislang bei Großveranstaltungen von New York bis Johannesburg mitwirkte, in der bayerischen Landeshauptstadt sucht. Doch "jetzt ist die Wirklichkeit eingetreten", wie es Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch ein wenig umständlich und doch sehr stolz formuliert, als er Okwui Enwezor am Donnerstag offiziell als Leiter des Haus der Kunst vorstellt.

Okwui Enwezor besichtigt Ellsworth-Kelly-Ausstellung

US-Maler Ellsworth Kelly ist der erste Künstler, dessen Ausstellung unter Okwui Enwezor als neuem Leiter des Hauses der Kunst eröffnet wird.

(Foto: dapd)

Fast ein wenig verloren wirkt Enwezor, 1963 in Nigeria geboren, als er den Saal im hinteren Teil des ein wenig zu monumentalen NS-Baus betritt. Es gibt sicher einfacheres, als ein Museum zu leiten, das zwar in der internationalen Kunstszene einen Ruf hat, jedoch keine eigene Sammlung und eine schwierige Geschichte. Enwezor, der in München einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben hat, nennt das eine "Herausforderung", eine "spannende Perspektive". Für das Archiv will er einen neuen Raum im Erdgeschoss abtrennen, damit sich die Besucher über die Geschichte des Hauses informieren können. Doch er wolle sich nicht nur auf die NS-Architektur fixieren. "Ein Gebäude kann man nicht vor Gericht stellen", hatte er vor ein paar Wochen der Süddeutschen Zeitung gesagt.

Bei seiner Arbeit solle es nicht um Nationalitäten, sondern um Ideen gehen, kündigte er außerdem an. US-Maler Ellsworth Kelly ist der erste Künstler, dessen Ausstellung unter Enwezor als Leiter des Hauses der Kunst an diesem Donnerstag eröffnet wird. Es geht um Form und Fläche, ausschließlich in Schwarz und Weiß. "Erhaben" nennt Enwezor die Bilder. "Erhaben im besten Sinne."

Es sind vor allem seine guten Manieren, die ihn so sympathisch machen. Der neue Chef lacht viel und laut, schüttelt Hände, tänzelt umher, bedankt sich überschwänglich bei allem und jedem. Beim Freistaat, "dafür, dass er mich angestellt hat", bei den Mitarbeitern und seinem Vorgänger, der mit seiner großartigen Arbeit sein Leben leichter und schwerer gemacht hätte. Er wolle nicht in die Fußstapfen von Chris Dercon treten, sondern "den Boden neben diesen Fußstapfen berühren". "Thank you so much", sagt er immer wieder in seinem leicht aristokratisch klingenden Englisch und lässt sich von den vielen Kameras nicht aus der Ruhe bringen.

Enwezor hat Politik studiert, die documenta 11 in Kassel geleitet und die Johannesburg Biennale in Südafrika, er hat die Biennale für zeitgenössische Kunst in Sevilla kuratiert und die großen Museen für Video- und Installationskünstler aus Schwarzafrika und den arabischen Ländern geöffnet. Er habe eine exzellente fachliche Reputation und bringe alle Voraussetzungen mit, die so ein weltoffenes Haus brauche, sagt Wissenschaftsminister Heubisch. Fast ein wenig ehrfürchtig betet er die Eckpunkte der Biografie dieser "Spitzengestalt der Kunstwelt" herunter - als sei die Weltläufigkeit des neuen Museumschefs auch ein Beweis für die Weltläufigkeit der bayerischen Politik.

Plattencover und Jazz

"Ich bin stolz, dass wir Sie für München gewinnen konnten", sagt Heubisch dann noch. Sie sind ein seltsames Paar. Der Kosmopolit im schwarzen Maßanzug, der laut dem Magazin "Art Review" unter den 100 mächtigsten Personen in der Kunstwelt rangiert, und der FDP-Politiker Heubisch, der zuerst das Deutsch Enwezors lobt und dann auf Englisch murmelt: "Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich jetzt ins Deutsche oder Bayerische wechsle."

Doch der neue Museumschef macht es den Münchnern leicht. Er lächelt höflich, fast so als könnte er alles verstehen. Schon im Vorfeld hatte er die "Leichtigkeit" und das "Selbstbewusstsein" der Stadt erwähnt und das "hochgebildete deutsche Publikum". Auch jetzt findet er lobende Worte für München und die Kunsttradition hier. So etwas hört man an der Isar gern.

Über seine konkreten Pläne für das Ausstellungshaus will Enwezor bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nicht viel verraten. Überhaupt sei er nicht mit großen Plänen gekommen, er wolle erst einmal den Kontext und verstehen und nachdenken, erklärt er bescheiden. Etwa was ein Museum heute sei.

Einen Vorgeschmack seiner Kunstvorstellungen haben die Münchner bereits kurz vor der documenta 2002 bekommen. Damals präsentierte Enwezor in der Villa Stuck eine Ausstellung, die unter anderem afrikanische Plattencover zeigte. Auch das Haus der Kunst will er öffnen - dem Jazz beispielsweise. Dann muss er weg, der Kunstmann von Welt hat noch viele Interviewtermine an diesem Tag. "Jetzt bricht eine neue Ära an", sagt eine Frau zum Sicherheitsmann am Eingang und schaut dem neuen Leiter bewundernd nach, wie er mit großen Schritten durch seine geschichtsträchtige neue Wirkungsstätte im beschaulichen München eilt.

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