Oktoberfest 2012:Wenn der Vorgarten zur Ausnüchterungszelle wird

Wiesn-Gestank im Wohnzimmer, Müll vor der Haustüre und kreischende Fünfer-Looping-Fahrgäste: Für die Anwohner der Theresienwiese kann das Oktoberfest ganz schön anstrengend sein. Denn die Bierseligkeit hat auch Schattenseiten.

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Krankenwagen während der Wiesn

Quelle: Ingrid Fuchs

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Die Wiesn raubt Bettina Bode manchmal den Schlaf: Die Goethestraße, in der sie wohnt, grenzt zwar nicht direkt an die Theresienwiese, manchmal hat die 26-Jährige aber trotzdem das Gefühl, als würde sie auf dem Oktoberfest wohnen. "Ab 11 Uhr ziehen bei mir immer grölende Menschen unterm Fenster her. Das bekomme ich tagsüber mit, weil ich ab und zu von zuhause arbeite. Nervig sind aber die Martinshörner der Krankenwagen, die Menschen abtransportieren. Das Krankenhaus ist ja direkt um die Ecke. Am Wochenende quartiere ich mich lieber bei meinem Freund ein, sonst kann ich das Schlafen vergessen. Und zum Hauptbahnhof laufen geht sowieso nicht mehr, da brauche ich doppelt so lange. Abgesehen davon: Ich mag die Wiesn!" 

Oktoberfest 2012

Quelle: dapd

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Man begegnet ihnen rund um die Uhr, manchmal schon am frühen Abend, oft auch noch am frühen Morgen: Erschöpfte Wiesn-Besucher, die den Heimweg nicht mehr geschafft haben, ruhen sich irgendwo aus - gerne in den U-Bahn-Stationen oder gleich in den Bahnen.

Die Mitarbeiter des MVV sind jedoch gut auf die Besuchermassen vorbereitet. Mit ihren Sprüchen verkürzen sie die Wartezeit auf die nächste U-Bahn: "Wenn Sie noch weiter in die Mitte des Bahnsteigs gehen, haben Sie etwas mehr Platz. Und wer schon nicht mehr stehen kann, der darf sich hier auch hinsetzen. Sogar Liegen ist erlaubt!"

Alkoholkontrolle zur Wiesnzeit, 2005

Quelle: lok

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Die Polizei kontrollierte in der ersten Wiesnwoche mehr als 13.000 Verkehrsteilnehmer. Die Fahrten unter Alkoholeinfluss waren in diesem Zeitraum etwas weniger als im vergangenen Jahr, 170 Führerscheine hatte die Polizei zur Halbzeit sichergestellt. Dafür ist die Zahl der Falschparker rund um das Oktoberfest deutlich gestiegen: 291 Autos wurden während der ersten Wiesnhälfte abgeschleppt,  2011 waren es im selben Zeitraum nur 202.

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Quelle: Stephan Rumpf

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Am Bavariaring haben Anwohner ihre Häuser zum Schutz vor Wiesn-Besuchern lieber eingezäunt. Trotzdem schaffen es hin und wieder betrunkene junge Männer in den Vorgarten, wo sie sich für einige Stunden zum Ausnüchtern hinlegen. "Das ist in den vergangenen Jahren schon schlimmer geworden", erzählt eine Rentnerin, die auch am Bavariaring wohnt. Auf Spaziergänge verzichtet sie während des Oktoberfests lieber. "Aber man gewöhnt sich an alles. Auch an die kreischenden Leute im Fünfer-Looping, die ich beim Einschlafen noch höre", sagt die 67-Jährige.

Das einzige, was die Frau wirklich stört, ist das Gedränge im Supermarkt. "Zum Einkaufen muss ich ja und das mach ich natürlich in der Nähe. Da tauchen die Leute rudelweise zum Bierkaufen auf, das ist  dann lästig. Aber ich finde, dass man das schon aushalten können muss, wenn man hier wohnt."

Oktoberfest 2012

Quelle: dpa

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Kein schöner Anblick: Der Hügel hinter den Bierzelten ist während der Wiesn fast immer mit Alkoholleichen übersät. 

Die Sanitäter hatten auf dem Oktoberfest 2012 spürbar mehr zu tun, als in den Jahren zuvor. Mehr als 5100 Patienten musste das Bayrische Rote allein während der ersten Wiesn-Hälfte versorgen - das ist ein Anstieg um knapp drei Prozent. Hauptgrund dafür war nach Angaben des ärztlichen Leiters der Wiesn-Sanitätsstation, Hans Finkel, das wechselhafte Wetter in der ersten Woche, das bei manchem Gast zu Herz- und Kreislaufbeschwerden führte.

Noch deutlicher stieg aber die Zahl junger Menschen, die es mit dem Bier übertrieben haben. 445 Alkohol-Opfer hatten die Sanitäter bis zur Halbzeit bereits versorgt, im Vorjahr waren es bis dahin nur 371.

Oktoberfest 2012 - Bierzelt

Quelle: dpa

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Der Diebstahl von Wiesn-Bierkrügen ist nach Einschätzung der Polizei zu einer Art Volkssport geworden - vor allem bei italienischen Oktoberfest-Besuchern. "Die packen sich zum Teil Taschen und Rucksäcke voll", klagt der Leiter der Wiesn-Wache, Peter Hartwich.

Deshalb wird an den Ausgängen der Zelte und vor den U-Bahn-Eingängen genau kontrolliert, ob jemand versucht, einen Krug wegzuschmuggeln - im Jahr 2011 wurden dabei 226.000 Leute erwischt, 2010 waren es noch 130.000. Der Krugklau wird übrigens bestraft - egal wie hoch der Alkoholpegel ist.

Oktoberfest 2012

Quelle: dapd

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Genauso wird kontrolliert, ob jemand Glasflaschen mit auf das Festgelände nimmt - das ist seit diesem Jahr verboten. Bei einer Kontrolle am zweiten Wiesn-Samstag haben die Mitarbeiter des Jugendamtes, der Sicherheitsdienste und der Polizei den Wiesn-Besuchern etwa 7000 Glasflaschen abgenommen.

Wegen des Verbots und weil viele Maßkrüge das Rausschmuggeln nicht überstehen, sind Altglas-Container rund um die Theresienwiese andauernd überfüllt. Anwohner warten am besten einfach bis zum Ende der Wiesn, um ihr Altglas zu entsorgen.

Oktoberfest 2012 - Eröffnung

Quelle: dpa

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Bereits tagsüber türmt sich der Müll auf den Straßen der Theresienwiese. Sobald die Lichter abends in den Bierzelten ausgehen, drehen Kehrmaschinen ihre Runden. Etwa 1300 Tonnen Müll fallen während der Wiesn-Zeit an - manche Anwohner klagen deshalb über Gestank, der von der Wiesn zu ihren Wohnungen zieht. Von anderen hört man indes, dass sie unter übermäßigem Appetit leiden, weil sie ständig den Duft von Brathendl und gebrannten Mandeln in der Nase haben.

Oktoberfest 2012

Quelle: dpa

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Ausquartiert: Die Lieblingskneipe ums Eck hat während der Wiesnzeit lieber dicht gemacht, der Döner nebenan kostet plötzlich 1,50 Euro mehr. Und auch im netten kleinen Kiosk, wo man auch nach Ladenschluss noch immer sein Feierabendbier bekommt, verlangt auf einmal das Doppelte für die Halbe Bier - das Oktoberfest weckt den Geschäftssinn bei Kaufleuten rund um die Festwiese.

Die Treppe an der Bavaria ist zwar meist gut besucht, aber immerhin kostenlos und geöffnet. Manche setzen sich zum nächtlichen Philosophieren offenbar lieber an den Bavariaring oder die Theresienhöhe - die gleichen in dieser Zeit sowieso einer Fußgängerzone. 

Schankkontrollen auf dem Oktoberfest angekuendigt

Quelle: dapd

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Und nicht einmal im Bierzelt kann man sicher sein, dass man für sein Geld bekommt, was versprochen wird: Der Verein gegen betrügerisches Einschenken hat die Schankmoral der Wiesn-Wirte auch dieses Jahr wieder scharf kritisiert. In keinem einzigen Zelt hätten die Tester eine volle Maß bekommen, bemängelte Vereinspräsident Jan-Ulrich Bittlinger. Knapp 100 Maß wurden geprüft, im Schnitt seien nur 0,86 Liter Bier im Krug gewesen - neue Smartphone-Apps erlauben es übrigens auch den Gästen, den Füllstand ihrer Maßkrüge zu überpüfen.

Am schlechtesten hat bei der Stichprobe des Vereins das Käfer-Zelt mit 0,8 Liter Inhalt abgeschnitten. "Käfer bescheißt seine Gäste besonders heftig", sagte Bittlinger. Bereits im Vorjahr habe Käfer zu den schlechtesten Zelten gehört. Mit im Schnitt 0,94 Liter waren die Maßkrüge im Löwenbräu-Festzelt am besten gefüllt.

© Süddeutsche.de/infu/tob
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