Oktoberfest:Warum ein Hobbyfotograf alljährlich den Wiesn-Aufbau dokumentiert

Oktoberfest: Auch in diesem Jahr ist Klaus Baaske wieder beim Aufbau der Festzelte unterwegs.

Auch in diesem Jahr ist Klaus Baaske wieder beim Aufbau der Festzelte unterwegs.

  • Klaus Baaske hält alljährlich den Aufbau der Zeltstadt akribisch im Bild fest.
  • Der Hobbyfotograf ist gut mit den Handwerkern befreundet. Das hat Vorteile für beide Seiten.
  • Auch die Brauereien fragen immer wieder Bilder bei dem Münchner Trambahnfahrer an.

Von Franz Kotteder

Manchmal kommt es so im August, September vor, dass er einen dieser Anrufe bekommt. "Klausi, du hast doch sicher ein Foto von der Außen-Nordfassade, oder?", heißt es dann beispielsweise am anderen Ende der Leitung, "kannst du mal nachschauen?" Klar, Klausi kann nachschauen, und in aller Regel hat er dann auch das richtige Bild. Das brauchen die Handwerker, wenn sie nicht mehr genau wissen, wo ein Bauteil oder ein Dekorationsstück hinkommt.

Aber es gibt ja Klaus Baaske, 58. Dieser Mann hat ein zweifellos einmaliges Hobby, mittlerweile im zwölften Jahr: Er fotografiert den Aufbau der Wiesnzelte vom ersten Tag bis zum Anstich. Auch danach macht er noch ein paar Fotos, aber eher wenige, "so zehn bis zwölf vielleicht". Alles fing vor mittlerweile elf Jahren an. Da hatte Baaske in der Zeitung gelesen, dass der Wiesnaufbau beginnt, und dann schaute er eben mal hin. Er hatte seine Kamera dabei und machte fünf, sechs Bilder.

Die Sache begann ihn zu faszinieren: dass da gut hundert Lastwagenfuhren für jedes einzelne Zelt nötig sind und wie da mehr als 800 Handwerker wochenlang am Aufbau einer riesigen Zeltstadt arbeiten. Wie die riesigen Bierpaläste langsam aus dem Boden wachsen, in denen dann später mehr als sechs Millionen Menschen 16 Tage lang feiern. Und wie danach dann alles in sechs Wochen wieder abgebaut wird, als wäre nie etwas gewesen.

"Anfangs dachten die Handwerker, ich wäre ein Spion von der Konkurrenz", sagt Klaus Baaske und lacht. "Aber so nach und nach habe ich die Handwerker dann kennengelernt." Heute gehört er schon zum festen Wiesn-Inventar. Geht man mit ihm über das Gelände, wird er von allen Seiten gegrüßt, und er grüßt sie auch alle selbst. Auffallend viele heißen Klaus und Peter. So wie er, Peter ist sein zweiter Vorname. Viele der Handwerker kommen aus dem Oberland, logisch, viele aber auch aus ganz Europa.

"Das Weinzelt und der Löwe" - das ist die Kurzform hier auf dem Gelände für das Löwenbräuzelt - "werden von Ungarn aufgebaut, das sind zu 99 Prozent die selben wie in den vergangenen Jahren. Die können das Zelt wahrscheinlich schon blind aufbauen," sagt Baaske. Überhaupt gibt es wenig Wechsel bei den Handwerkern, die meisten sind jedes Jahr wieder dabei, und so ist auf der Theresienwiese eine eigene kleine Welt mit einer großen Familie entstanden.

Und Baaske ist da mittendrin. 1990 ist er aus Ostdeutschland nach München gekommen, hat erst einmal bei der Maschinenbaufirma Hurth gearbeitet, 1995 wechselte er zur Stadt und wurde Trambahnfahrer. Bis heute. Die Arbeitszeiten bei der Straßenbahn haben auch den Vorteil, dass er nachmittags auf die Theresienwiese kann, zum Fotografieren. In einem Jahr macht er so mittlerweile knapp 30 000 Fotos: "Insgesamt sind es inzwischen an die 160 000."

"Jedes Zelt hat so seinen gewissen Charakter"

Da staunt der Laie: Sind die Bierzelte denn nicht irgendwann ausfotografiert? "Iwo", sagt Baaske, "es gibt ja immer wieder Neues. Das neue Winzerer Fähndl, der Marstall, das Hacker, der neue Ochse, und dann die vielen kleinen Veränderungen!" Tatsächlich, es tut sich schon etwas. Und Baaske hat zu einzelnen Zelten auch opulente Fotobücher selbst gemacht, von den großen Zelten alle im Format A 3, von den kleinen konsequenterweise auf A 4. Da gibt es eins über das Augustinerzelt und "den Löwen", aber auch über die Kalbsbraterei und den Goldenen Hahn, um mal die kleinen zu nennen. Über den Marstall, die Ochsenbraterei, das Hackerzelt und das Winzerer Fähndl.

Die Auflage beträgt maximal drei bis vier Stück: "Ich mache die immer in Eigeninitiative, nie auf Bestellung oder so. Aber Wirt und Brauerei kriegen schon eins, wenn sie wollen." Natürlich wollen sie. Denn natürlich handelt es sich um Prachtbände, und Baaske hat zweifellos einen Blick für hübsche Details. Und dann ist es ja auch tatsächlich so, wie Baaske sagt: "Jedes Zelt hat so seinen gewissen Charakter. Jedes hat sein eigenes Flair."

Um das richtig ins Bild zu setzen, scheut der Wiesnfotograf keine Mühen - und keine Höhen. Oft lässt er sich von Handwerkern mit auf Hebebühnen und sogenannte Steiger, fahrbahre Arbeitsplattformen, mitnehmen und fotografiert von oben aus. So hat er den Aufbau und die 42 Hektar Oktoberfest auch schon mal aus 70 Metern Höhe fotografieren können, ganz ohne den Umweg über eine Flugdrohne: "So was brauch' ich nicht!"

Und manchmal wird es auch ein wenig hektisch. Im vergangenen Jahr zum Beispiel. Als der neue Löwe für den Turm vom Löwenbräuzelt kam. Der Dresdener Figurenbauer Peter Ardelt lieferte ihn über die Autobahn A 9 an. Klaus Baaske wartete mit seinem Spezl Martin Hunger mehr als zwei Stunden lang auf der Autobahnbrücke bei der Allianz Arena auf den Transport, mit zwei Kameras und einer Videokamera. Dann kam der Löwe, und die beiden nahmen die Beine in die Hand. Mit der U-Bahn ging's weiter zur Theresienwiese, und als Ardelt auf die Landsberger Straße kam, befanden sie sich schon auf der Rolltreppe, die nach oben führte: "Wir haben es dann gerade noch rechtzeitig zum Löwenbräuzelt geschafft."

Höhepunkte im Leben eines Hobbyfotografen. Ebenso wie die Einladung von Lukas Bulka, dem Chef des Bier- und Oktoberfestmuseums, in seinem Haus die Aufbaubilder auszustellen. Es erwies sich dann jedoch als schwierig, alle Zelte in nur 300 Fotografien abzubilden. Mehr Platz ist aber im Museum nicht für Wechselausstellungen. Dafür kamen Baaskes Fotos in der Festschrift zum 150-Jährigen des Schottenhamel-Zelts in diesem Jahr unter, das demnächst auch im München-Verlag als Buch erscheint. "Für mich ist das so etwas wie ein Ritterschlag, mich freut das", sagt Baaske.

Keine Frage, dass er dabei bleiben wird. "Die meisten reden bei der Wiesn ja bloß über den Bierpreis", sagt er, "und sie sehen gar nicht, was die Handwerker da alles leisten in dieser kurzen Zeit." Man kann sagen: Sie sehen, außer in dieser Reportage hier, auch selten mal, was Baaske so leistet in dieser kurzen Zeit. Eine Woche hat er jetzt noch, aber er sagt auch: "Ich freue mich eigentlich jetzt schon wieder auf den Aufbau 2018!"

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