Oktoberfest:Neuer Zaun, neue Griabigkeit

Besucherströme muss der Wiesnzaun nicht abhalten, weil es sie gar nicht gibt. Auch die Terrorangst scheint gebändigt. Die größte Bedrohung lauert woanders.

Wiesn-Kolumne von Laura Kaufmann

Im Zelt sieht man den Regen nur in den Haaren derer, die gerade hereinkommen. Und es kommen Leute herein, das Zelt ist noch offen, zu einer ungewöhnlichen Zeit. Ein Kaiserschmarrn steht in der Mitte des Tisches, mit Gabeln für alle; Kaffee für die einen, Weinschorle für die anderen. Warm und heimelig, während draußen der Herbst sein finsterstes Gesicht zeigt.

Es ist gemütlicher als es sonst an diesem Tag zu dieser Uhrzeit wäre, und das hat, mal abgesehen von dem unwirtlichen Wetter, vor allem einen Grund: Diese Sicherheitsdiskussionen und den Zaun. All das hält viele davon ab, über das Festgelände zu streifen.

Dieser Zaun ist für die, die es hinter ihn geschafft haben, beinahe enttäuschend in seiner Banalität. Aus der U-Bahn kommend ist da eine kleine Schleife zu gehen, statt direkt auf die Theresienwiese zu gelangen, und da steht nun eine Reihe Ordner, die höflich, beinahe schon schüchtern fragen, ob sie einen Blick in die Tasche werfen dürfen. Und das ist es dann.

Kurz kommen einem da Festivals anderswo in den Kopf, wo die Hosentaschen nach außen gekehrt werden müssen, oder Clubs, deren Einlasskontrolle dem Sicherheitscheck eines Flughafens gleicht; dagegen wirkt das Wiesnprozedere beinahe rührend.

"Hätten wir das vor zwei Jahren eingeführt, niemanden hätte das interessiert", sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter, nachdem ihn der drölftausendste Reporter nach dem Zaun befragt statt nach seiner Anzapfleistung. Längst überfällig sei das gewesen, sagt Stephan Kuffler, der Wirt des Weinzeltes. "Und auch die Möglichkeit, das Gelände abzuriegeln, im Falle eines zu großen Massenansturms auf die Wirtsbudenstraße."

Mehr mit der Masse treiben als selbst laufen

Keine Oide Wiesn gibt es dieses Jahr, wie das alle vier Jahre geschieht, wenn stattdessen das Zentrale Landwirtschaftsfest stattfindet. Das heißt jedes Mal auch: Keine Ausweichmöglichkeit auf ein gemütlicheres Wiesnfleckerl. Ein komprimiertes Oktoberfest, sozusagen. Auf diesem ging es sich vor vier Jahren am Wochenende auf der Wirtsbudenstraße äußerst schlecht, nämlich nur mehr in sehr kleinen Trippelschritten. Schulter dicht an Schulter. Mehr mit der Masse treiben als selbst laufen. "So ein Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle?" im Kopf, und vor allem "das ist Wahnsinn, nächstes Jahr müssten sie das Gelände absperren". Man wünsche sich nicht unbedingt neue Besucherrekorde im nächsten Jahr, hieß es damals zur Wiesnbilanz. Als ob der Stadt die eigene Beliebtheit selbst nicht mehr ganz geheuer war.

Jetzt haben wir den Zaun, der keine Besucherströme abhalten muss, weil es sie nicht gibt; noch nicht, zumindest. Und eine Wiesn, die sich gerade so gemütlich, so "griabig" anfühlt wie lange nicht mehr. Niemand sieht sich panisch um, als vermute er überall Bombenleger. Die größte Bedrohung, die am späteren Abend in der Luft liegt, ist die, eine der Bierleichen könne einen anstolpern und sich dabei übergeben.

Aber vielleicht sollte man das besser nicht zu laut in die Welt hinausschreiben, das mit der entspannten Stimmung, weil: Dann sind sie am Ende plötzlich doch wieder alle da.

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