Oktoberfest:Die ultimative Herausforderung wartet im Teufelsrad

Oktoberfest 2014 - Last Day And Riflemen's Salute

Ein junger Mann schlittert gerade von der Scheibe. Worüber sich der Ansager wohl bei ihm lustig gemacht hat?

(Foto: Getty Images)

Nirgendwo sonst können sich Wiesnbesucher so schön mit Schadenfreude berauschen. Und nirgendwo sonst werden sie so herrlich beleidigt wie in diesem Fahrgeschäft. Wären da nicht diese grenzwertigen Sprüche.

Wiesn-Kolumne von Laura Kaufmann

Es gibt wenige Attraktionen auf der Wiesn, die so höllisch viel Spaß machen wie das Teufelsrad. Für zwei Zwickerl darf ein jeder so lange bleiben wie er mag; ob als Zuschauer oder als einer von denen, die sich bei jeder möglichen Runde als erstes zur drehenden Scheibe stürzen. Wer am längsten draufbleibt, hat gewonnen und wird, wenn er sich als besonders geschickt erweist, mit einem Lasso oder einem schwingenden Stoffball von der Scheibe befördert. So mancher Münchner ist zum ersten Mal an der Hand der Mama ins Teufelsrad spaziert und versucht dort heute als gestandenes Manns- oder Weibsbild die Zuschauer zu beeindrucken. Nirgendwo sonst holt sich der Besucher so eindrucksvolle blaue Flecken und Schürfwunden wie hier, vom Tobbogan vielleicht einmal abgesehen.

Und nirgendwo sonst werden die Fahrenden so herrlich beleidigt wie im Teufelsrad. "Eine schöne Landebahn hast da für uns!", höhnt der Moderator. Der Lederhosenträger, der platt auf der Scheibe liegt während der Ball schon nach ihm schwingt, hat keine Haare mehr auf dem Kopf. Wer hier fährt, darf also nicht zimperlich sein. In keiner Hinsicht.

Seit mehr als hundert Jahren gehört das Teufelsrad zur Wiesn. Es hat nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Nur hin und wieder, da überkommt einen bei manch einer Ansage ein unwohles Gefühl. Ein Ziepen im Magen. Weil auch der Spruch klingt, als käme er von einem Hundertjährigem. "Und jetzt alle Schwarzen!", ruft der Moderator zur neuen Runde. Drei Männer setzen sich auf die Scheibe. Einer davon deutlich heller als die anderen beiden und damit offenbar nicht dunkel genug für die Runde, er wird von einem Mitarbeiter wieder runtergeworfen. "No Matter If You're Black Or White" von Michael Jackson läuft, während sich die beiden übrigen auf der Scheibe zu halten versuchen.

Manchmal erinnert das Teufelsrad an den unverbesserlichen Opa, der einem dunkelhäutigen Neuling am Tisch freundschaftlich auf die Schulter haut und ihm zu seinem guten Deutsch gratuliert. Und die Enkel peinlich betreten beiseite schauen, weil Opa immer noch nicht verstanden hat, dass man heutzutage nicht mehr blond und blauäugig sein muss, um deutsch zu sein. Aber Opa wird es auch nicht mehr lernen.

Was sich wohl ein, sagen wir, amerikanischer Tourist denkt, der das Teufelsrad besucht und zufällig des Deutschen mächtig ist? Abgesehen davon, dass er mit Sicherheit staunen würde über diese Attraktion, weil in seiner Heimat jeder blaue Fleck eine millionenschwere Klage bedeuten würde. Wahrscheinlich würde er sich auch wundern über die Sprüche, die man hier offenbar raushauen darf. Und dass auch mal nach Hautfarbe sortiert auf der Scheibe gefahren wird.

Schmeißt sich ein Haufen Männer auf das Teufelsrad - "Jetzt alle Männer mit Lederhosen!" oder eben alle ohne Lederhosen -, sind die Schwulenwitze schneller da als ein blauer Fleck. "Mei, da üben aber schon zwei fürs Schwulsein" und so weiter und so fort. Auf dem Schulhof gibt's Ärger, wenn "schwul" als Beleidigung über die Lippen rutscht. Im Teufelsrad sorgt das stündlich für Schenkelklopfer.

Ist es zimperlich, leichtes Bauchziepen bei diesen Sprüchen zu haben? Überempfindlich? Die Sprüche im Teufelsrad, die waren eben immer schon so. Und schließlich bekommt ein jeder sein Fett weg, ob groß, klein, dick, dünn, schwarz, weiß oder kariert. Aber wäre es nicht genauso gut möglich, weniger Hautfarben- und Homowitze zu machen und sich mehr über absurde Trachten, übermächtige Wampen oder seltsame Frisuren zu amüsieren? Wäre das weniger komisch? Dass die Sprüche derbe sind - geschenkt. Aber wo ist die Grenze?

Frech sind die Sprüche, meistens witzig, manchmal eins drüber. Sie gehören zum Teufelsrad wie die Seile, die die Hartnäckigsten von der Scheibe fischen. Den Opa am Tisch, den lieben die Enkel auch trotz seiner ewig gestrigen Kommentare. Der ändert sich eh nicht mehr und meint es nicht so.

Im Teufelsrad meinen sie es auch nicht böse, sicher nicht. Noch schöner aber wäre es da, wenn es die Sprüche nicht gäbe, bei dem einem mehr nach Augen verdrehen als Lachen zumute ist. Ein komisches Gefühl im Bauch bekommt der Teufelsradbesucher schon vom Kreiseln auf der Scheibe. Auf andere Auslöser ließe sich leicht verzichten.

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