Oktoberfest 2009:"Berlin hat uns gerettet"

Hippodrom-Chef Sepp Krätz geht fremd: Als Wiesnwirt zieht er vors Rathaus in Berlin. Ein Gespräch über echte und abgekupferte Wiesn, Golfschläge beim Anzapfen und den richtigen Bierpreis.

Michael Ruhland

Sepp Krätz, 54, betreibt die Waldwirtschaft und das Andechser am Dom, als Wiesnwirt führt er das Hippodrom-Festzelt seit 1995. Zum ersten Mal wagt sich der Gastronom mit einem Hippodrom-Ableger nach Berlin. An diesem Mittwoch wird die kleine Wiesn mit Angela Merkel und Horst Seehofer eröffnet, sie endet am 16. September, drei Tage vor dem Auftakt in München. Ein Gespräch über echte und abgekupferte Wiesn, den richtigen Bierpreis und die München-Berlin-Verbindung.

SZ: Herr Krätz, als Wiesnwirt vors Rote Rathaus in Berlin zu ziehen und schon mal vorzufeiern, das ist wie fremdgehen.

Krätz: Ach wo. Ich zolle den Berlinern meinen Respekt, mein Gastspiel ist ein Dankeschön. Es war ja ein Berliner Richter, der die Biergartentradition rettete, nicht ein Münchner. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen. Biergärten müssen erhalten werden. Jetzt redet keiner mehr darüber, aber damals protestierten 25.000 Menschen auf dem Marienplatz. Beinahe wäre es schiefgegangen Das Urteil aus Berlin hat uns gerettet.

SZ: Sie fühlen sich Berlin verpflichtet?

Krätz: Ja. Und ich mag die Stadt und die Leute hier. Es ist doch eine Ehre, hier vors Rote Rathaus ziehen zu dürfen. Ich wurde ja geadelt, Mensch!

SZ: Es gibt Wiesnhendl von Alfons Schuhbeck, kälberne Fleischpflanzerl von Eckart Witzigmann. Wen haben Sie noch mit im Gepäck? Roberto Blanco?

Krätz: Den Roberto Blanco hab' ich nicht dabei. Aber wir haben die Bavaria nach Berlin gebracht. Alles kommt original aus München: die Speisen, die Köche, die Bedienungen. Meine Wiesnwirte-Kollegen werden auch nach Berlin kommen. Auf die freue ich mich am allermeisten. Das wird sicher lustig.

SZ: In Berlin sind Sie Exot. Und die Berliner schauen eher amüsiert auf die bayerische Folklore. Kratzt Sie das?

Krätz: Ich bin Botschafter der bayerischer Gastlichkeit und des bayerischen Lebensgefühls - und das fühlt sich toll an. Ich war schon in Moskau beim Anzapfen, ich war in Ankara. Ich kann mit Menschen umgehen, nicht nur mit den Münchnern. Das wurde mir in die Wiege gelegt. Die Berliner haben es verdient, gut bewirtet zu werden. Wir Wirte sind ja quasi die Weishäupl in Fortsetzung. Wir machen die beste Werbung für München.

SZ: So viel wichtige Politiker auf einen Haufen werden sie in München nicht zu Gesicht bekommen. Sind Sie auf einen Smalltalk mit Merkel vorbereitet?

Krätz: Die war ja schon zweimal im Andechser. Man kennt sich ein bisschen. Nicht sehr gut, aber immerhin. Bei der Eröffnung bin ich aber nicht wichtig. Ich schaue nur, dass das Essen und Trinken funktioniert. Die Ilse Aigner und der zu Guttenberg haben sich auch privat angesagt - ich hoffe, die kommen dann auch in den Tagen nach der Eröffnung.

Die Mutter der Wiesn

SZ: Politik und Wahlkampf sind also nicht tabu im Berliner Hippodrom?

Krätz: Ich finde es schön, wenn die bayerischen Politiker uns unterstützen. Daran kann man erkennen, dass man zusammenhält. Man muss ja den Berliner auch erst davon überzeugen, dass er ins Zelt reingeht. Das geht nicht von heut auf morgen. Heuer werden wir uns noch keine goldene Nase verdienen. Dafür sind die Kosten zu groß.

SZ: Andererseits verkaufen Sie die Maß für 7,50 Euro. Auf dem Oktoberfest kostet sie in Ihrem Zelt 8,60 Euro.

Krätz: Wir treiben einen recht großen Aufwand - von den Toilettenanlagen bis hin zu zwei Kapellen, eine mittags, eine abends. Und es ist ja doch kein Oktoberfest wie in München, wo wir mittags schon viel Geschäft machen. Dennoch: Die 7,50 Euro sind der richtige Preis für Berlin. Das habe ich aus dem Bauch heraus entschieden, das passt schon. Den Münchnern macht das nix aus. Das versteht doch ein jeder, dass es ein Unterschied ist, ob man hier in Berlin ein Zelt aufbaut oder bei uns.

SZ: Was unterscheidet die echte Wiesn vom Berliner Ableger?

Krätz: München ist die Mutter der Wiesn, das Original wird immer in München sein. Es ist der größte Exportschlager Bayerns. Alles andere kann nur das Zweitbeste sein. Jetzt schauen wir halt, dass das recht gut wird.

SZ: Wer zapft an?

Krätz: Das weiß ich noch nicht so genau. Entweder der Seehofer oder die Emilia Müller, die hier ja Hausherrin ist.

SZ: Aber die müssen doch üben, sonst blamieren sie sich.

Krätz: Ich bin ja in der Nähe. Die kriegen von mir Tipps, dann klappt das schon.

SZ: Aha, und wie sehen die aus?

Krätz: Den Wechsel richtig in die Hand nehmen, den Daumen zwischen dem Ring rein, damit der Spund nicht rausfliegt, wenn der Druck kommt. Einen leichten Schlag, bis es zieht, das hört man. Und dann einen oder zwei richtige Schläge drauf. Mit Schwung - wie beim Golfspielen. Also versuchen, bis hinters Fassl zu hauen. Nicht nur andocken.

SZ: Reicht Ihnen der Stress der zwei Wochen Wiesn in München nicht?

Krätz: Es ist schon sehr viel, klar. Ich gebe mein Maximum, und das muss heuer eben für drei Wochen reichen. Ich hab' halt eine gute Kondition.

Die Berliner Schickeria

SZ: Wie viel Bier während der Wiesn?

Krätz: Kaum. Abends, bevor ich ins Bett gehe, trinke ich schon eine Maß. Zum Abspannen.

SZ: Mal ehrlich: Kann es die Berliner Schickeria mit der Münchner überhaupt aufnehmen?

Krätz: (überlegt) Ich bin noch nicht so lange da. Und was heißt schon aufnehmen: Die Berliner sind lebensfroh, die kommen ja gerne zu uns auf die Wiesn.

SZ: Es gibt vermutlich 500 Kopien des Oktoberfestes in aller Welt - ob im Süden Brasiliens, im Gazastreifen oder in Alaska. Nervt die viele Abkupferei nicht irgendwann?

Krätz: Schauen Sie mal, wie viele italienische Restaurants es in München gibt. Wir haben halt die Biergärten, und die Wiesn ist letztlich nichts anderes als ein überdachter Biergarten; nur dass da noch die Musik spielt und mehr Stimmung ist. Darauf können wir stolz sein. Weltweite Oktoberfeste werben doch nur für uns. Die Leute wollen sich dann alle mal das Original anschauen.

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