Oktoberfest:Ab der zweiten Wiesn-Woche rutschen die Hosen

Oktoberfest: Eine große Schalttafel, ein Schreibtisch und eine Liege: Im Kabuff der Elektriker kann es schon mal eng werden.

Eine große Schalttafel, ein Schreibtisch und eine Liege: Im Kabuff der Elektriker kann es schon mal eng werden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Gregor Stojanovic kümmert sich eigentlich um die Elektrik im Schottenhamel-Zelt - doch auch, wenn die Bedienungen wegen der harten Arbeit stark abnehmen, hat er eine Lösung parat.

Von Franziska Stadlmayer

Wer die Wiesn dieses Jahr richtig ausreizen will, kann ganze 18 Tage lang hingehen. Für Gregor Stojanovic sind diese 18 Tage nur ein kleiner Teil. Seine Wiesn dauert dreieinhalb Monate. "Wir sind Mitte Juli die, die für die Aufbauarbeiten den Stromanschluss legen", sagt der Elektriker, "und Anfang November sind wir die, die hier das Licht ausmachen." Die Firma Anker & Stojanovic kümmert sich seit 48 Jahren darum, dass im Schottenhamel-Zelt alle Lampen brennen.

Von 1970 an arbeitete Gregor Stojanovics Vater als Elektriker auf der Wiesn, sein Sohn begleitete ihn gerne - half beim Lampen auspacken und war fasziniert von dem riesigen, lebendigen Zelt. Heute ist er der Chef und dafür verantwortlich, dass gut 40 000 Meter Kabel ordnungsgemäß verlegt sind und 70 000 Leuchtkörper die 18 Tage über leuchten. "Die Elektrik ist unser Bereich, aber wir sind hier im Zelt auch Mädchen für alles", sagt der 44-Jährige. Die Elektriker sind jeden Tag von sieben Uhr morgens bis elf Uhr abends im Zelt - und bei Problemen immer erreichbar.

Jetzt ist es zehn Uhr morgens. Ein schmaler Gang, über dem "Betreten für Unbefugte verboten" steht, führt in das Kabuff der Elektriker. Ein kleiner Schreibtisch, auf dem Papiere und Schraubenzieher liegen, zwei Bänke und ein Feldbett - ab vier Menschen im Raum wird er eng. In diesem Container steht Stojanovic und bewältigt den ersten Ansturm an kleineren Sorgen und Nöten. Auf dem Schreibtisch liegt eine Käsesemmel, bisher hat er einmal abgebissen. Es klopft. Eine Bedienung steht an der Tür: "Bei uns am Balkon Ost ist eine Bank locker und eine Glühbirne kaputt, könntest du da mal nachschauen?" Stojanovic nickt, sein Mitarbeiter wird gleich vorbeigehen.

Kaum ist die Bedienung weg, betritt Thomas Schottenhamel das Kabuff. Einer der Schankkellner habe sich beschwert, dass er abends im gedimmten Licht zu wenig sehe: "Kann man da was machen, ohne dass das Licht ins Zelt scheint?" Stojanovic überlegt: "Wir könnten einen Spot anbringen." Schottenhamel nickt dankbar, ein Gruß, dann ist er wieder weg.

Mitarbeiter Frane nimmt sich einen Akkuschrauber und verlässt das Kabuff Richtung Balkon Ost, während bei Stojanovic das Handy klingelt. Schnell legt er die Semmel wieder weg und fischt das Telefon aus der Jeanstasche. Ein Lieferant ist dran, der später ein Ersatzteil vorbeibringen wird. Gleich darauf der nächste Anruf, diesmal aus der Firma. Während Stojanovic mit zwei Mitarbeitern den Bereitschaftsdienst auf der Wiesn übernimmt, kümmern sich die restlichen Kollegen um das normale Tagesgeschäft: "Ich bin telefonisch erreichbar und fahre öfters mal bei der Firma vorbei. Aber klar, während der Wiesn-Zeit muss viel zurückstehen", sagt Stojanovic. Bei der Elektrik im Schottenhamel handelt es sich um den größten Auftrag im Jahr, in den Wochen vor der Wiesn ist er teilweise mit zehn Mitarbeitern dort.

Im Durcheinander zwischen Reparaturen, Problemen und Anrufen aus der Firma behält er den Überblick. Was für andere Ausnahmezustand wäre, ist Stojanovic längst vertraut: Seit 1990 arbeitet er auf der Wiesn. Damals war er Azubi im ersten Lehrjahr - und trat den Dienst in der vom ersten Gehalt gekauften Lederhose an: "Da war ich bei den Kumpels natürlich eine Nummer. Auf der Wiesn arbeiten war cool." Die Kleiderwahl bewährt sich bei Außeneinsätzen: "Wir übernehmen für das Büro öfters Botengänge." Jetzt, am Vormittag, muss ein Karton mit Post zum Briefkasten am Wiesn-Eingang. Auf dem Weg grüßt Stojanovic mal nach links und mal nach rechts, nach so vielen Jahren kennt man sich.

Zurück im Zelt. Während sich die Bänke im Schiff langsam füllen, wird es hinten im Elektrikerkabuff ruhiger. "Die Stoßzeiten variieren, aber in der Regel haben wir vormittags viel zu tun, mittags etwas Ruhe und abends wieder Stress." Je länger die Wiesn dauere, desto ruhiger werde es: "Das liegt einfach daran, dass die Elektrik nicht dafür gemacht ist, einmal im Jahr von null auf volle Leistung zu gehen." Wenn die anfänglichen Probleme behoben seien, spiele sich das System ein. Abends, wenn der letzte Besucher das Zelt verlassen hat, gehen die Elektriker durch die Reihen und machen eine Bestandsaufnahme, was repariert werden muss. Dekorateur, Schreiner, Wasserinstallateur: "Wenn möglich rufen wir die Leute am Abend noch an, damit sie in der Früh da sind." Gerade nach den Wochenenden sei immer einiges kaputt, denn: "Bier setzt Kräfte frei."

So schlimm wie früher sei es nicht mehr. "Ich weiß noch genau", erzählt Stojanovic, "1996 standen die Leute auf einmal in Scharen vor den Zelten und wollten rein." Damit hatte keiner gerechnet, weshalb zu wenig Security vor Ort war. Das Ergebnis: Die Glasscheiben, die damals in die Türen eingelassen waren, wurden zerschlagen und Bänke gingen zu Bruch. Danach rüsteten die Wirte in punkto Sicherheit auf. Inzwischen wird auf dem Oktoberfest über größere Sicherheitsrisiken diskutiert als eine Horde Feierwütiger.

Hier im Zelt aber, bleiben die Probleme überschaubar. Es klopft. Eine Bedienung fragt nach einer Rolle Gaffa-Tape. Auch so etwas haben sie vorrätig. Stojanovic zieht eine Schublade auf, wühlt kurz und gibt ihr das Tape. Sie lächelt und verschwindet. "Wir reparieren hier quasi alles", sagt Stojanovic. Kaputte Schuhe. Bedienungsnummern, an denen sich die Verschlussnadeln gelöst haben und Geldbeutel, deren Ketten ausgerissen sind. "Für so etwas haben wir immer Gaffa, Tacker und Lötkolben da", sagt er. Von der zweiten Woche an sehr gefragt: ein zusätzliches Loch im Gürtel. Einige männliche Bedienungen nähmen so stark ab, dass die Hose rutscht.

Kurz vor Mittag, eine der Uhrzeiten, die die Elektriker immer im Kopf haben. Die eine Wand ihres Kabuffs ist bedeckt mit Lichtschaltern und Sicherungen, alles penibel beschriftet. Bedient wird manuell, von "Brezenofen" bis "Licht Balkon West." Der Zaun am Biergarten muss bis Einbruch der Dämmerung eingeschaltet werden. Bei der Heizung im Garten ist es Ermessenssache. Punkt 12, wenn die Kapelle zu spielen beginnt, soll der Lichterkranz über ihr aufleuchten. Die Uhr zeigt 11.58 Uhr an. Mitarbeiter Frane legt den Finger an den Schalter. Im besten Fall beginnen Musik und Licht gleichzeitig. Die Uhr zeigt zwölf, der erste Takt erklingt. Im selben Moment erstrahlt der Lichterkranz über der Bühne in hellem Licht.

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