OEZ:Angehörige der Opfer des Münchner Amoklaufs fühlen sich alleingelassen

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  • Die Vorsitzende des Münchner Migrationsbeirats sagt: Mehrere Familien der Opfer sind wütend, weil man sich nicht genügend um sie gekümmert habe.
  • Der Beirat fordert mehr Sensibilität. Die Polizei habe lange keine Informationen herausgegeben, teilweise sei die Kommunikation an Übersetzungsproblemen gescheitert.
  • Die Polizei sagt, wegen der Tatumstände sei eine frühere Information nicht möglich gewesen.

Von Günther Knoll

Neben der Trauer empfinden Angehörige der Opfer offenbar auch Wut. Wut, weil sie sich im Stich gelassen fühlten von den staatlichen und städtischen Institutionen, die sie nicht über die näheren Umstände der grausamen Tat im OEZ aufgeklärt und erst spät informiert hätten, sagt die Vorsitzende des Münchner Migrationsbeirats, Nükhet Kivran. Sie habe inzwischen selbst mehrere Familien der Opfer besucht, erklärte die Beiratsvorsitzende, und übereinstimmend hätten diese darüber geklagt, dass man sich nicht genügend um sie gekümmert habe.

Kivran hat diese Kritik auch zum Inhalt einer Pressemitteilung gemacht. Darin heißt es, die betroffenen Anhörigen seien "sehr wütend. Nicht nur durch den schwerwiegenden Verlust ihrer Liebsten, sondern auch durch die Vorgehensweise nach dieser schrecklichen Tat". Der Migrationsbeirat fordert von den zuständigen Stellen "mehr Sensibilität".

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Die Polizei, so heißt es in der Pressemitteilung, habe den Betroffenen lange Zeit keine Informationen über das Schicksal ihrer vermissten Angehörigen gegeben. Eine Familie habe gar erst am Montagmorgen zu dem Verstorbenen gehen können. Einer anderen muslimischen Familie sei die Todesnachricht von einem Seelsorger überbracht worden, mit dem wegen Sprachproblemen kaum Kommunikation möglich gewesen sei.

Die angespannte Situation rund um die Tat dürfe kein Grund sein, mit den Betroffenen so umzugehen, sagt Nükhet Kivran. Die meisten von ihnen müssten sich so als Außenseiter fühlen. Während nämlich das griechische Konsulat Leute geschickt und auch das türkische Außenministerium per Telefon Hilfe angeboten habe, sei von Seiten der hier verantwortlichen Stellen noch nichts passiert.

Die Beiratsvorsitzende fordert mehr Sensibilität, auch was das offizielle Trauern angeht. So hofft sie, dass am Trauerakt der Muslime, der am Mittwochabend stattfinden soll, auch deutsche und bayerische Politiker teilnehmen, und nicht nur an dem Gedenken in der Frauenkirche. Kivran sagt, sie habe sowohl mit dem Münchner Oberbürgermeister wie auch mit dem Polizeipräsidenten telefoniert und beide um ein persönliches Gespräch mit den Angehörigen gebeten. Nur so sei auch deren Vermutung aus der Welt zu schaffen, es habe sich doch um mehrere Täter gehandelt.

Wie die Polizei auf die Kritik reagiert

Peter Zehentner, Teamleiter beim Kriseninterventionsteam München, das am Wochenende gut 300 Einsätze leistete, kann die Kritik der Angehörigen zwar verstehen, hält sie aber ebenso wie die Polizei für unberechtigt. Wenn man um den Tod einer nahestehenden Person fürchte, dann seien "zehn Minuten schon die Hölle", sagt er. Doch weil man lange von einer "Terrorlage" ausgegangen sei, habe die Sicherung von Menschenleben Vorrang gehabt. Sobald die Lage klar gewesen sei, habe man zusammen mit der Polizei die Todesnachrichten überbracht - von ein Uhr nachts bis sechs Uhr früh.

"Wir haben wirklich alles Menschenmögliche getan, um die Familien schnell und pietätvoll zu verständigen", sagt auch Thomas Baumann von der Polizei-Pressestelle. Man wisse, "dass in solchen Fällen eine Minute mehr Warten eine Minute mehr Leiden bedeutet". Aber man könne erst dann informieren, wenn die Identität eindeutig feststehe. In diesem Fall sei das wegen der Tatumstände - man sei anfangs von mehreren Tätern ausgegangen - schwierig gewesen.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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