Ökostrom in München:Angst vor dem Gegenwind

EWE - Offshore-Windenergiepark Riffgat

Bis 2025 wollen die SWM so viel Ökostrom selbst produzieren, wie alle Münchner Haushalte, Betriebe, alle U- und S-Bahnen zusammen verbrauchen.

(Foto: dpa)

Die Stadtwerke haben neun Milliarden Euro in die Energiewende investiert und setzen vor allem auf große Windparks im Meer. Mit ihrem Konzept für grüne Energie hat die Stadt München sogar einen internationalen Preis gewonnen. Doch nun müssen weitere Projekte vorerst auf Eis gelegt werden.

Von Katja Riedel

Es ist nur ein einziges Windrad vor der walisischen Küste, dessen Energie nun seit wenigen Tagen ins Stromnetz eingespeist wird. Doch weil dieses Windrad nicht an Land, sondern erstmals auf hoher See grünen Offshore-Strom erzeugt, ist dieses einzelne Kraftwerk für die Münchner Stadtwerke (SWM) ein bedeutender Schritt. Das erste Windrad des Hochsee-Parks "Gwynt y Mor" ist also am Netz, bis Ende 2014 sollen 160 Windkraftanlagen rechnerisch 400 000 Haushalte versorgen.

Damit fließt jetzt der erste Offshore-Strom aus der milliardenschweren Ausbauoffensive der SWM, die mit Projektpartnern - hier RWE Innogy und Siemens - nicht nur an diesem, sondern an vielen der spektakulären Erneuerbare-Energien-Projekte (EEG) Europas beteiligt sind.

Bis 2025 wollen die SWM so viel Ökostrom selbst produzieren, wie alle Münchner Haushalte, Betriebe, alle U- und S-Bahnen zusammen verbrauchen: 7,5 Terawatt. Eine Initiative, die München in der vergangenen Woche zum ersten Träger eines neu geschaffenen Preises gemacht hat. Das Metropolen-Netzwerk C40 und Siemens haben München zum Sieger in der Kategorie "Grüne Energie" gekürt.

Ausgezeichnet wird ein Projekt, hinter dem die Münchner Stadtpolitik - SPD, Grüne und CSU - zu Beginn sogar noch deutlich euphorischer gestanden hatten als der damalige SWM-Geschäftsführer Kurt Mühlhäuser. Das sagt zumindest der zuständige Wirtschaftsreferent und Oberbürgermeisterkandidat der SPD, Dieter Reiter. Mehr als neun Milliarden Euro hat die Stadt in die Offensive investiert, die "ein singuläres Ziel" sei, findet auch Reiter. Andere Kommunen würden ihn um das Projekt beneiden - doch die verfügten meist weder über eigene Stadtwerke noch das nötige Kapital. Dass München seine Stadtwerke nicht privatisiert habe, sei nun der Schlüssel zum Erfolg der Energieoffensive, glaubt Reiter.

Den Löwenanteil der Münchner Energiewende sollen die teuren Hochseewindparks liefern. Sind alle bisher angeschobenen Projekte einmal umgesetzt, wollen die SWM einen Ökoanteil von 37 Prozent erreicht haben, aktuell sind es etwas mehr als zwölf Prozent und damit dreimal so viel wie beim Start vor fünf Jahren. Den größten Anteil hat derzeit schon die Windkraft (423 Millionen Kilowattstunden jährlich), dicht gefolgt von der Wasserkraft. Hinzu kommen in deutlich geringerem Umfang Solarstrom, Solarthermie aus Spanien und Geothermie. Es bleibt noch "ein Riesenvolumen an Investitionen", sagt Thomas Meerpohl, der bei den SWM als Leiter der Konzernstrategie den Ausbau koordiniert. Und das größte Potenzial, aber auch die größte Zuverlässigkeit sieht man in der Hochsee-Windkraft.

Investitionsstopp aus Protest

Doch genau das ist derzeit höchst problematisch: Das politische Umfeld für alle deutschen EEG-Projekte ist schwierig, eine Reform des entsprechenden Gesetzes sowie der bisherigen Einspeisevergütung für den Ökostrom gilt als sicher; 2014, spätestens 2015 ist damit zu rechnen. Die SWM hatten darum aus Protest zu Jahresbeginn einen Investitionsstopp für deutsche Projekte verhängt.

Sie stehen sich darum jetzt bei mancher Entscheidung, die eigentlich anstünde, selbst auf den Füßen. "Wir haben aktuell Offshoreprojekte im Visier, auch deutsche. Wir können heute aber nur dann investieren, wenn wir von der Bundesregierung Bestandsschutz bekommen - nicht für den Zeitpunkt der Fertigstellung, sondern für den der Investitionsentscheidung", sagt Thomas Meerpohl. Anderenfalls würden Projekte aus der Rentabilität fallen.

Wirtschaftsreferent Reiter sieht dies ähnlich: "Weitere Investitionen sind derzeit zu risikoreich", sagt er. "Bestandsschutz wäre ein wichtiger Schritt." Er halte den Investitionsstopp darum derzeit noch für richtig, "auch wenn uns das im Zeitplan zurückwirft", sagt Reiter. Schließlich gehe man mit Steuergeldern um. In ihre Konzern-Energiewende können die SWM freilich auch Einnahmen stecken, die sie mit Atomstrom erzeugen, werfen ihnen Kritiker vor. Es geht um dreistellige Millionenbeträge, die jährlich aus dem Kernkraftwerk Ohu II, an dem die SWM ein Viertel der Anteile halten, in die Kassen fließen. Erst 2022 wird es voraussichtlich vom Netz gehen. Meerpohl weiß derartige Vorwürfe zu kontern. Weil man noch nicht wisse, wie teuer die SWM die Abwicklung komme, müsse man hohe Summen zurückstellen.

Unterstützung gibt es auch aus der Rathausopposition. CSU-Stadtrat und Aufsichtsrat Manuel Pretzel ist überzeugt, dass die Münchner Energieoffensive nur mit Offshore gelingen kann, "deshalb werden wir alle weiteren Projekte unterstützen", sagt Pretzel. "Wir hoffen im Bund auf die nächste Legislaturperiode", sagt er. Pretzel ist zuversichtlich, dass es beim EEG-Gesetz eine verträgliche Lösung geben werde. Und er setzt darauf, dass es gelingen wird, den Netzausbau nach Bayern voranzutreiben - damit der grüne Strom, den die SWM anderswo erzeugen, irgendwann auch aus Münchner Steckdosen fließen könnte.

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