Öffentlicher Verkehr:Große Koalition für Gratis-Busse

Neuer Bus für Planegg und das Würmtal, , Planegg vor dem Pfarrheim St. Elisabeth

Gratis wär's noch schöner: Busverbindungen wie die 2014 in Planegg eröffnete Linie 260 sind wichtig für die Landkreis-Gemeinden.

(Foto: Florian Peljak)

Kreispolitiker von CSU und SPD begrüßen kostenlosen Nahverkehr - und streiten sich um die Urheberschaft dieser Idee. Die Grünen dagegen setzen auf die Nachrüstung von Diesel-Autos

Von Iris Hilberth und Martin Mühlfenzl

In der Politik dreht sich vieles um die Frage: Wer hat's erfunden? Dass die Bundesregierung zuerst auf die Idee kam, in Städten und Gemeinden kostenlosen öffentlichen Nahverkehr einzuführen, halten die Kommunalpolitiker im Landkreis München für ein Gerücht. Der CSU-Landtagsabgeordnete und Landratsstellvertreter Ernst Weidenbusch etwa schreibt auf Facebook, "die geniale Idee" sei schon noch seine. SPD-Kreisrätin Annette Ganssmüller-Maluche kontert, es sei ihre Fraktion gewesen, die den Antrag gestellt hatte, alle Verträge mit dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) zu kündigen und das Fahren mit Bussen und der einzigen Trambahn im Landkreis kostenfrei zu gestalten. "Dank" der CSU sei das aber abgelehnt worden, so Ganssmüller-Maluche.

In der Sache sind sich die beiden ja einig: Der öffentliche Personennahverkehr sollte am besten im gesamten MVV-Verbund nichts mehr kosten - zumindest aber sollte der Landkreis seine Möglichkeiten nutzen und für das Bus- und Trambahnfahren in seinem Zuständigkeitsgebiet nichts mehr verlangen. "Streitet's euch nur über die Urheberschaft!", schreibt der Chef der Grünen-Kreistagsfraktion Christoph Nadler in dem kleinen Facebook-Scharmützel. "Allein auf die Busse des Landkreises München bezogen, bringt's halt auch nix!"

Das hingegen findet Ganssmüller-Maluche, die 2014 das kostenlose Busfahren im Landkreis zu einem ihrer Hauptthemen im Landratswahlkampf gemacht hatte, schon. Damals sei sie arg für diesen Vorschlag belächelt worden, "aber ich bin weiterhin davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist", sagt die stellvertretene Landrätin aus Ismaning. Das Argument, dass die öffentlichen Verkehrsmittel die Kapazität für noch mehr Mitfahrer gar nicht hergäben, lässt sie für den Landkreis nicht gelten. "Das betrifft nur die S-Bahnen, in den Bussen ist bis auf die Strecken zu den Schulen noch genügend Kapazität", sagt sie. Immerhin hatte sie sich 2014 im Wahlkampf die Mühe gemacht und ist mit zahlreichen Bussen den Landkreis abgefahren.

Insgesamt verbuchte der Landkreis im Jahr 2016 etwa 13 Millionen gefahrene Bus-Kilometer und damit doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor. 1996 waren es sogar erst fünf Millionen gewesen. Die Anzahl der Fahrgäste hat sich in diesen 20 Jahren auf etwa 23 Millionen (2016) verdoppelt. Jeder Buskilometer kostete vor zwei Jahren 2,62 Euro, der Betriebskostenzuschuss betrug 1,23 Euro. Das heißt: 2016 hat der Landkreis etwa 16 Millionen Euro draufgezahlt. Wäre die Nutzung des ÖPNV kostenlos, kämen für 2016 noch einmal gut 18 Millionen dazu. In den Kosten sieht Ganssmüller-Maluche aber keinen Grund, solche Pläne abzulehnen. "Auch wenn das über eine erhöhte Kreisumlage finanziert werden muss, wäre das kostenlose Busfahren für die Gemeinden ein Plus", sagt sie, weil viele aufs Auto verzichten würden.

Christoph Nadler dagegen sagt, diese Diskussion gehe am eigentlichen Thema vorbei. Die Autokonzerne müssten verpflichtet werden, Dieselfahrzeuge nachzurüsten: "Mit diesen Betrügereien dürfen sie nicht durchkommen." Den Einstieg in ein kostenloses Nahverkehrssystem findet der Grüne grundsätzlich "verlockend", sagt aber auch: "Macht es nur der Landkreis, funktioniert es nicht. Da fährt der Pendler bis zur Stadtgrenze, dann muss er stempeln." Er wünsche sich vielmehr einen Ausbau des sogenannten Sozialtickets, das es im Landkreis längst gibt und ein echtes Erfolgsmodell ist. "Das kommt auch für den ganzen MVV-Verbund mit der Tarifreform", sagt Nadler.

Der CSU-Politiker Weidenbusch kann der Idee eines bundesweit kostenlosen Nahverkehrs so einiges abgewinnen. "Davon profitieren doch alle", sagt er. "Auch der Pendler, der im Bayerischen Wald in Freyung wohnt und die 18 Kilometer nach Grafenau in die Arbeit fährt. Dann hoffentlich mit dem Bus." Gerade der Landkreis München, sagt Weidenbusch, könne und müsse sich die Kosten für dieses Projekt leisten: "Wer, wenn nicht wir, kann das auch? Bei unserer Umlagekraft, die von den Arbeitnehmern erwirtschaftet wird." Weidenbusch erkennt aber auch ein Risiko, das mit kostenlosem Nahverkehr für alle verbunden ist. "Damit steigt der Siedlungsdruck vor allem in den Kommunen weiter draußen", sagt der CSU-Abgeordnete. "Wenn die Anbindung kostenlos und besser wird, werden mehr Menschen rausziehen und natürlich die Immobilienpreise steigen. Aber wir müssen es probieren."

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