Obwohl es in München genügend Ärzte gibt:Noch längere Wartezeiten für Kassenpatienten

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Das Gespräch mit den Kranken kommt zu kurz - Privatversicherte genießen viele Vorteile.

Sibylle Steinkohl

Kassenpatienten haben das Nachsehen - bei der Teilhabe am medizinischen Fortschritt, beim Service und bei der Zuwendung, klagen Münchner Ärzte. Die Zweiklassenmedizin habe Einzug gehalten. Dennoch bekomme jeder die notwendige, hochwertige Versorgung, egal wie er versichert sei, heißt es angesichts der Diskussion über die Einschränkung von Leistungen.

Kassenpatienten haben das Nachsehen, klagen Münchner Ärzte: Gerade am Quartalsende werden sie oft auf das nächste Vierteljahr vertröstet. (Foto: Foto: ddp)

Manchmal würde der Onkologe Wolfgang Abenhardt bei Darmkrebs gern ein neues Medikament schon früh einsetzen, Kosten: etwa 12.000 Euro im Vierteljahr. Dessen Wirksamkeit sei in wissenschaftlichen Studien bewiesen. Doch weil das Mittel hierzulande noch nicht zugelassen sei, könne er es Kassenpatienten nicht verordnen. "Das ist eine massive Benachteiligung", ärgert er sich. Damit eine Substanz von den gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlt werde, sei nämlich die deutsche Zulassung Voraussetzung.

"Die Privatkassen sind hier viel kulanter", hat der Krebsspezialist beobachtet. Nun will er beileibe nicht den Eindruck erwecken, als würden Krebskranke mit Chipkarte schlechter versorgt als Privatversicherte. Wenn jedoch gängige Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft seien, "stehen Privatpatienten mitunter noch weitere Optionen offen". Um den anderen auch diese Chancen nicht vorzuenthalten, versuche er, sie in Studien unterzubringen oder die Notwendigkeit einer Therapie juristisch durchzufechten.

Positivbeispiel Hautkrebsscreening

"Es dauert Jahre, bis medizinische Innovationen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Versicherungen aufgenommen werden und so der Allgemeinheit zur Verfügung stehen", stellt auch der Urologe Klaus Ottmann fest. Der Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer kritisiert, dass beispielsweise ein wichtiger Parameter, der sogenannte PSA-Wert, nach wie vor nicht Bestandteil der Vorsorgeuntersuchung für Männer auf Prostatakrebs sei. Bei der privaten Krankenversicherung gebe es hier kein Problem.

Ein positives Beispiel: Das Hautkrebsscreening - bisher den Privatpatienten vorbehalten - komme von Juli an jedem ab 35 Jahren zugute. Angesichts der Diskussion, die derzeit auf dem Deutschen Ärztetag in Ulm geführt wird, ob wirklich alle Patienten eine umfassende Gesundheitsversorgung bekommen können, betont Ottmann, dass das "medizinische Niveau in München ausgezeichnet ist - und zwar für alle".

Das liegt auch dem bayerischen Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung, Axel Munte, am Herzen. In einer Stadt wie München mit fast 4500 niedergelassenen Ärzten dürfe sich jeder auf die gleiche hohe Behandlungsqualität verlassen. Unterschiede räumt der Münchner Arzt allerdings in der Wartezeit auf einen Arzttermin ein.

Die "sprechende Medizin" kommt zu kurz

Gerade am Quartalsende, wenn das Budget ausgeschöpft sei, werden Ottmann zufolge Kassenpatienten öfter auf das nächste Vierteljahr vertröstet. Und Munte fürchtet sogar, dass sich Patienten generell künftig noch länger in Geduld üben müssen. "Es wird zunehmend Wartezeiten geben, bei der hausärztlichen Versorgung und auch bei hochspezialisierten Eingriffen jeder Art", sagt er voraus.

Die "sprechende Medizin" komme zu kurz, in den Kliniken genauso wie in den Praxen, bedauert der Onkologe Ludwig Lutz, Generalsekretär der Bayerischen Krebsgesellschaft. Leidtragende seien vor allem die gesetzlich versicherte Kranken:"Beim Privatpatienten wird die Zuwendung honoriert, beim Kassenpatienten verschwindet das Gespräch in der Pauschale."

Dass dennoch viele Ärzte intensiven Kontakt mit all ihren Patienten pflegten, habe mit ihrem Engagement zu tun, beileibe nicht mit Geld. Ansonsten aber will auch Lutz beruhigen: "Bei Operationen, Apparatemedizin und hinsichtlich zugelassener Medikamente haben wir auch 2008 in Deutschland keine Zweiklassenmedizin."

© SZ vom 21.05.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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