Obersendling:Zukunftsangst und Wut

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Nur noch abwickeln: Die Mitarbeiter des Real-Marktes demonstrierten gegen den Arbeitsplatzverlust. (Foto: Florian Peljak)

Real-Mitarbeiter demonstrieren gegen den Arbeitsplatzverlust

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Bis 17. Dezember florierte im Real-Markt an der Machtlfinger Straße das Weihnachtsgeschäft, dann wurde er geschlossen. Für die Beschäftigten war die Feststimmung zu diesem Zeitpunkt längst verflogen. Denn das Einkaufszentrum wird wegen Baufälligkeit abgebrochen, und bis heute weiß die Belegschaft nicht, wie es mit ihr weitergeht. Unternehmen und Betriebsrat haben sich in drei Gesprächsrunden nicht auf einen Sozialplan einigen können, die Real-Zentrale erklärte die Verhandlungen deshalb für gescheitert. Nach Darstellung der Gewerkschaft Verdi blutet der Real-Markt in Obersendling jetzt regelrecht aus. "Für die Beschäftigten gibt es nicht mal mehr Seife und Klopapier", beklagt der Verdi-Handelsexperte Dominik Datz.

Am Mittwochabend haben rund zwei Drittel der 116 Real-Mitarbeiter ihrer Wut, Enttäuschung und Zukunftsangst Luft gemacht: Sie bildeten eine Lichterkette und beerdigten symbolisch ihre Arbeitsstätte. Stilecht mit Sarg, Leichenwagen und Grabrede. Allerdings erst, nachdem sie die Geschäftsführung vom Betriebsgelände vertrieben hatten. Viele Teilnehmer der Protestaktion hielten Tafeln mit der Aufschrift "Muss raus!" hoch. Begleitet wurde die gut halbstündige Aktion von Solidaritätsadressen. SPD-Bundestagskandidat Sebastian Roloff nannte es eine "Schmierenkomödie", wie Real mit seinen Leuten umspringe, sie "ohne Rechtssicherheit hängen lässt". Philip Büttner von der evangelischen Landeskirche mahnte, in Arbeit mehr zu sehen als eine Ware und in Menschen mehr als Spielbälle des Kommerzes. Einer, der sich exakt so fühlt, ist Anton Maric. Der 56-Jährige, bei Real seit neun Jahren in der Fleischabteilung tätig, ist verzweifelt: "Keine Ahnung, wie es weitergeht, wir haben nichts in der Hand."

Im Rathaus denkt man angeblich über einen Ausweichstandort für den ehedem größten Verbrauchermarkt im Münchner Süden nach. Das Real-Einkaufszentrum könnte diesen Plänen zufolge nach Freiham ausweichen, in deutlich reduzierter Form und mit maximal 40 Arbeitsplätzen. Der Betriebsratschef Nikolaus Baecker und Verdi-Mann Dominik Datz verfolgen noch ein anderes Nahziel: weitere Verhandlungen über einen Sozialplan, der diesen Namen verdiene.

© SZ vom 22.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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