Obersendling:Warten, bis die Wüste lebt

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Urbane Ödnis: Der Ratzingerplatz gilt als einer der hässlichsten Areale in der Stadt. Das komplette Umfeld, 13,2 Hektar, soll aufgewertet werden. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Pläne für den Ratzingerplatz werden erst in mehreren Jahren fertig sein. Anwohner sind jetzt schon skeptisch

Von Sonja Niesmann, Obersendling

Lag es am EM-Spiel Deutschland gegen Polen? Oder daran, dass viele Obersendlinger nicht glauben, dass sich am Ratzingerplatz tatsächlich etwas tun wird - 22 Jahre, nachdem der Stadtrat erstmals beschlossen hat, der oft und gerne als "Schandfleck" geschmähte Platz solle "entwickelt" werden"? Am Donnerstagabend jedenfalls saßen den neun Vertretern der Stadtverwaltung und dem Vorsitzenden des örtlichen Bezirksausschusses, Ludwig Weidinger (CSU), am Podiumstisch im Bürgersaal Fürstenried-Ost gerade mal 25 Anwohner aus dem Viertel gegenüber, die sich bei der Bürgerbeteiligung informieren und äußern wollten.

Etwa drei bis fünf Jahre werde es allein dauern, erklärte eingangs Anina Bühler vom Planungsreferat, bis der Bebauungsplan fertig sei. Er umfasst ein 13,2 Hektar großes Gebiet, zu dem neben dem Ratzingerplatz auch angrenzende Straßenzüge gehören. Auf dem brachliegenden Grundstück an der Ecke Boschetsrieder/Aidenbachstraße soll eine Grundschule mit vier bis fünf Geschossen und Sportflächen auf dem Dach unterkommen, ein Stück weiter südlich an der Aidenbachstraße ein Gymnasium mit fünf Geschossen. Der Busbahnhof soll umgestaltet, die Park-and-Ride-Anlage von 180 auf bis zu 400 Stellplätze erweitert werden.

Hinter dem Busbahnhof, zur Hofmannstraße hin, soll ein Quartierszentrum entstehen mit zirka 15 000 Quadratmetern Verkaufsfläche für Einzelhandel und etwa 160 Wohnungen in den oberen Geschossen. Die Feuerwache an der Boschetsrieder Straße soll um eine Feuerwehr- und Rettungsdienstschule erweitert werden. Am Ratzingerplatz selbst will man alle Fahrspuren an der Südseite zusammenlegen, mit Platz für die Tram-Westtangente. Derzeit liegen die Fahrbahnen bis zu 80 Meter weit auseinander, dazwischen die ehemalige Tram-Endstation. So hofft man, Platz zu erhalten für eine breite Promenade sowie einen weiteren Gebäudezug, der noch nicht näher definiert ist.

Die Anwohner beschäftigte vor allem der Verkehr. Schon jetzt sei die U 3 zu Stoßzeiten brechend voll, auf der Boschetsrieder Straße sei morgens oft Stau. "Wenn dann noch all die Mütter ihre Kinder in die neuen Schulen kutschieren. . .", sorgte sich ein Teilnehmer. Ob es noch ausreichend Parkplätze geben werde, wollte ein anderer wissen. All diese Aspekte werde ein unabhängiger Gutachter in einer Verkehrsanalyse klären, versicherte Daniela Czerny vom Planungsreferat. Ihre Freude über eine schöne Promenade werde getrübt von der Aussicht, ein neues Gebäude direkt vor die Nase zu bekommen, erklärte eine Anwohnerin, die seit Jahrzehnten direkt am Ratzingerplatz wohnt. BA-Chef Weidinger: "Ja, Sie tauschen weniger Lärm gegen weniger Sonne." Auf dem für die Grundschule vorgesehenen Areal sähe eine weitere Anwohnerin lieber einen kleinen Park mit Teich und Bänken. Das wäre Ressourcenverschwendung, so die Antwort. Am Ratzingerplatz liegen Obersendlings einzige für Schulbau geeigneten Flächen in städtischer Hand, Schulbauten auf Privatgrund seien extrem schwer zu realisieren. Das Areal sei zwar als städtisches Biotop kartiert, stehe aber nicht offiziell unter Schutz. Bislang seien auch keine schützenswerten Arten dort gefunden worden.

Grundschule und Gymnasium sollen schon zum Schuljahr 2020/21 fertig sein, ihr Bau wird parallel zum Bebauungsplan vorangetrieben. Bis alles andere verwirklicht wird, werden noch Jahre vergehen. "Könnte man bis dahin am Ratzingerplatz Urban Gardening machen?", fragte eine Frau. Es war nicht der erste Vorstoß zu Gunsten einer Zwischennutzung auf der öden Fläche. Nach den Erfahrungen des Bezirksausschusses aber hat, außer den Bandübungsräumen im Tram-Häuschen nichts geklappt. Die Möchtegern-Gärtnerin zog vor dem Saal ihr eigenes Fazit: "Ich glaub' nicht dran. Die Schulen, ja, die werden kommen. Aber der Ratzingerplatz fällt hinten runter."

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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