Obersendling:Von Tigern und Bettvorlegern

Die Aussprache zwischen dem Investor des Siemens-Hochhauses und den Lokalpolitikern wird äußerst konträr gedeutet

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

War das eine Empörung, als der Bezirksausschuss (BA) 19 im Dezember 2014 ein Schreiben des Geschäftsführers der Hubert Haupt Immobilien Holding, Michael Lentrodt, kommentierte. Der CSU-Fraktionssprecher Reinhold Wirthl monierte den "unterirdisch frechen Ton", in dem der Brief gehalten gewesen sei, Micky Wenngatz (SPD) sah die Stadtteilvertretung "in unerträglicher Weise ehrabschneidend beleidigt". Inhaltlich ging es um die Zukunft des Siemens-Hochhauses in Obersendling. Die Immobilienfirma will den leer stehenden Büroklotz in ein Wohngebäude umwandeln, der Bezirksausschuss plädiert mehrheitlich für Abriss. Dabei ist die Sache längst entschieden - der Bau mutiert mit Einverständnis des Stadtrats zum Wohnturm und wird Bestandteil des neuen Campus Süd, an dem neben Haupt auch die Patrizia Immobilien AG mitwirkt.

Den Kontrahenten blieb als Restaufgabe, zu einem vernünftigen Umgang miteinander, zu einer "sachlichen Geschäftsgrundlage" zurückzufinden. Dazu war ein Gespräch anberaumt worden, an dem von Seiten des Bezirksausschusses sechs Vertreter aus vier Fraktionen teilnahmen. Deren Schilderungen und Interpretationen der Unterredung divergieren auf das Erstaunlichste.

Glaubt man der Darstellung der SPD-Fraktionssprecherin Dorle Baumann, wandelten sich einige der laut protestierenden Tiger von ehedem bei dem Treffen binnen kürzester Zeit zu Bettvorlegern. Dies offenbar unter dem Eindruck eines prominenten Rechtsanwalts, den Haupt in der Person der ehemaligen CSU-Größe Alfred Sauter aufbot. Sie sei enttäuscht, dass sich der BA-Vorstand "nicht eindeutig" vor die Stadtviertelvertretung gestellt habe, kritisierte Baumann. Ein schwaches Bild sei dies nicht nur deshalb, weil die Gegenseite dem BA in der Vergangenheit unberechtigterweise Verzögerungstaktik und Stilentgleisungen vorgeworfen habe, sondern selbst in der Phase der Konfliktentschärfung noch in provokanter Weise betonte, sie lasse sich von einem BA "nicht in die Suppe spucken". Hans Jürgen Gerhards (SPD) nennt diese Wortwahl eine "beschämende Diffamierung des Gremiums".

Ganz anders hat CSU-Fraktionschef Wirthl das Gespräch in Erinnerung. Es sei "sehr gut" verlaufen, so dass man das frühere Zerwürfnis jetzt am besten rasch vergessen sollte. Auch der BA-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU) bestätigte, man habe sich auf einen konstruktiveren Umgang verständigt. Damit müsse die Sache erledigt sein. Alexander Aichwalder (Grüne) nannte es gar "kontraproduktiv", die Meinungsverschiedenheiten erneut öffentlich zu diskutieren. Anderer Ansicht waren Matthias Moritz und Michael Kollatz (beide SPD): Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf zu erfahren, was bei solchen Gesprächen herauskommt. Damit nicht immer der Eindruck der Mauschelei entstehe, wenn sich Politik und Wirtschaft zum Tête-à-tête verabreden. Unterm Strich herausgekommen, da liegt BA-Vorsitzender Weidinger goldrichtig, ist wieder mal nur eine bittere Erkenntnis: "Der BA kann zu Bauvorhaben lediglich Stellung nehmen, die Entscheidung trifft der Stadtrat."

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