Obersendling:Siemens setzt Betriebssportler vor die Tür

Konzernspitze in der Kritik: Die Nutzer des Hermann-von-Siemens-Sportparks müssen gehen, nur ein Club darf bleiben - und über die künftige Nutzung des Geländes wird wild spekuliert. Es ist das Ende der fürsorglich-patriarchalen Firmenkultur vergangener Jahre.

Julian Raff

Mit dem Hermann-von-Siemens-Park erstreckt sich zu Füßen des denkmalgeschützten Siemens-Hochhauses ein weiteres Relikt des rheinischen Kapitalismus in seiner Isar-Variante. Der Namenspatron, Gründer-Enkel und seinerzeitige Siemenschef hatte das knapp 14 Hektar große, üppig begrünte Areal im Jahr 1959 der Belegschaft als Erholungs- und Betriebssportstätte gestiftet, ganz im Sinne der fürsorglich-patriarchalen Firmenkultur jener Jahre.

Obersendling: Herrmann-von-Siemens-Park: Das Sportgelände in Obersendling wird dichtgemacht.

Herrmann-von-Siemens-Park: Das Sportgelände in Obersendling wird dichtgemacht.

(Foto: Claus Schunk)

Altgediente Siemensianer und seit einigen Jahren auch Sportler ohne Betriebszugehörigkeit spielen hier Fußball, Tennis, Basketball, oder sie drehen ihre Runden auf einem 1,35 Kilometer langen Laufparcours ums Gelände. Vor allem aber fürchten sie die baldige Vertreibung aus ihrem Paradies, seit die Siemens AG den Vereinen mit Ausnahme des Tennisclubs die Verträge zum 31. Juli gekündigt hat.

"Damit ist der Verein klinisch tot", das steht für Pero Januzovic fest, der beim SV Siemens die erste Mannschaft trainiert. Die 135 Fußballer trifft das drohende Aus besonders hart, aber nicht völlig unerwartet. Eine erste Kündigung hatte Siemens bereits zum 31.Oktober vergangenen Jahres ausgesprochen, dann aber aus formalen Gründen wieder zurück gezogen. Im Rückblick datiert der SV-Vorsitzende Manfred Fleischmann den Anfang vom Ende noch ein paar Monate nach hinten, auf jenen Zeitpunkt, als der Konzern dem 1954 gegründeten Verein die Pacht erließ. Vordergründig ein feiner Zug, geschah dies wohl bereits in der Absicht, sich vom Park zu trennen.

Dessen Gesamtunterhalt, knapp eine Million Euro jährlich, fließt zwar hauptsächlich in die energietechnisch veraltete Halle im Südwestteil, dennoch blieb der jährliche Mietzins der Fußballer für einen Hart- und zwei Rasenplätze, Dusch- und Umkleidehaus, Vereinslokal und Büro mit 1500 Euro eher symbolisch. Dass der Verein zuletzt überhaupt Miete an Siemens gezahlt hatte, markiert trotzdem den langsamen Rückzug des Konzerns aus dem Park. In den 80er Jahren hatte der SV umgekehrt einen Jahreszuschuss von 15000 Euro von der Firma erhalten, quasi als Teil der Siemens-Familie, die zu den besten Zeiten 24000 Köpfe zählte am Standort Obersendling/Hofmannstraße.

Dass mit dessen Abbau irgendwann auch die enge Bindung auslaufen würde, war Fleischmann, selbst langjähriger Geschäftsführer des Sportparks, natürlich ebenso klar, wie seinen Vereinskameraden. Im Gegenzug hatte der Betrieb die 80-prozentige Mitarbeiter-Quote für alle Vereine schon vor Jahren aufgegeben und so den Park zusehends für Nicht-Siemensianer geöffnet. So gesehen, wäre eine "Überleitung" des Parks in städtische Hände und seine Umwandlung in ein frei zugängliches Sport- und Erholungsgelände, wie sie Siemens Anfang April in Aussicht stellte, nur eine konsequente Fortsetzung der bisherigen Geschichte - die CSU-Stadträte Josef Schmid und Mario Schmidbauer haben genau dies am Freitag beantragt.

Als Bauland verkaufen kann Siemens den als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesenen Park jedenfalls nicht. Zudem ist der südliche Teil kraft eines bei der Eingemeindung Sollns in den dreißiger Jahren getroffenen Abkommens als natürlicher "Windkanal" zur städtischen Frischluftversorgung baufrei zu halten.

Dass Siemens den Park als Kostenfaktor gerne loshätte, leuchtet Fleischmann durchaus ein. Stutzig macht allerdings nicht nur ihn, dass die Manager wenig Interesse zeigen, Erträge aus dem Gelände zu ziehen, die mit dessen Widmung in Einklang stehen. Erst vor wenigen Wochen war der FC Bayern mit einer Anfrage abgeblitzt, Plätze für das Training seiner Erstliga-Fußballerinnen anzumieten.

Weitere drei bis vier Vereine wären bereit, sich hier zu einzumieten, sagt Fleischmann, der sich unlängst auch im Bezirksausschuss 19 für den Erhalt des Geländes einsetzte, mit breiter Unterstützung des Gremiums. Die Chancen für einen Verbleib auf dem Gelände beurteilt der SV-Vorsitzende dennoch als "sehr schwach".

Damit sich wenigstens die Aktiven nicht in alle Winde zerstreuen, könnten die drei Mannschaften künftig beim per S-Bahn gut erreichbaren SC Baierbrunn spielen. Keine Endzeitstimmung, aber doch Verunsicherung herrscht unterdessen beim Tennisclub STC. Dessen Vertrag liefe noch bis Ende 2012, selbst wenn Siemens noch heuer eine Kündigung ausspräche. Dies scheint unwahrscheinlich, immerhin überweist der Verein eine sechsstellige, aus Platzgebühren finanzierte Jahresmiete an den Eigentümer (nominell die Siemens-Alterskasse).

Vermutlich wüssten die Konzernlenker selbst nicht so recht, was sie eigentlich mit dem Gelände vorhätten, ist aus dem STC-Vorstand zu hören - eine Mutmaßung von Gewicht: Der Club, wo auch höhere Siemens-Funktionäre spielen, dürfte unter allen Sportpark-Nutzern den kürzesten Draht in die Spitze haben. Ein klärendes Wort zur Zukunft des Geländes würden sich Vorsitzender Helmut Kalt und Betriebsleiter Helmut Schlüter von dort umso mehr wünschen, als die Rasenplätze demnächst für rund 140.000 Euro saniert werden müssten.

Die Basis - besonders der fitnessorientierte reine Betriebssportverein Siemens Active - ist wütend und enttäuscht. Dass Siemens "für bescheuerte drei Millionen" einen Skizirkus am Wittelsbacher Platz veranstaltet, um kurz darauf ein von immer noch rund 500 Breitensportlern genutztes Gelände abzustoßen, will Günter Behrens nicht in den Kopf, der da zweimal wöchentlich Gymnastik treibt.

Mit seiner Vermutung, Siemens wolle, Landschaftsschutz hin oder her, letztlich doch auf eine kommerzielle Verwertung des Parks hinaus, steht Behrens nicht ganz allein da. Der Bezirksausschuss-Vorsitzende Hans Bauer will von einem Investor erfahren haben, der hier über einen privaten Wellnesspark nachdenkt.

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