Obersendling:Mini-Apartments statt Pension

Die Stadt will Wohnungslose künftig in eigens für sie gebauten Häusern unterbringen. Eines der ersten mit 100 Single-Einheiten soll an der Boschetsrieder Straße in Obersendling entstehen

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Monat für Monat werden in München 40 bis 50 Haushalte aufgelöst und die Menschen, die darin gelebt haben, finden sich plötzlich als Wohnungslose wieder. Dafür gibt es viele Gründe - ein häufiger ist, dass die Leute nicht mal mehr die Miete für eine Sozialwohnung aufbringen können. Auch Ledige mit Niedrigeinkommen und Auszubildende werden dieser Bevölkerungsgruppe zugerechnet. Bisher quartierte die Stadt Bürger mit Unterkunftsproblemen zumeist in Notbleiben, Hotels und Pensionen ein. Das wird ihr nun zu teuer. Sie setzt deshalb - "bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Stadtteile" - auf den Bau kommunaler Wohnheime.

Mit die ersten sollen an der Boschetsrieder Straße in Obersendling entstehen. Geplant sind 100 Single-Einheiten mit durchschnittlich jeweils 17 Quadratmetern Wohnfläche in zwei Baukörpern, ein weiteres Gebäude mit 50 Kleinwohnungen à 20 Quadratmetern sowie Sozial- und Gemeinschaftsräume. Die Gesamtgeschossfläche beträgt 34 000 Quadratmeter. Der Bezirksausschuss (BA) 19 hat nun zu dem Vorhaben Stellung genommen - grundsätzlich wohlwollend, aber auch von der Sorge getrieben, im Bereich zwischen Boschetsrieder Straße, Machtlfinger Straße und Kistlerhofstraße könnten sich in Zukunft zu viele heikle Einrichtungen ballen.

"Der BA 19 sieht die Not der Stadt, wohnungslos gewordene Menschen . . . auf städtischem Gebiet unterzubringen. Er begrüßt ausdrücklich das Vorhaben, in eigenen Gebäuden diese Menschen unterzubringen und nicht auf unabsehbare Zeit Pensions- und Hotelzimmer bezahlen zu müssen", heißt es in der einstimmig verabschiedeten, von der SPD-Fraktion vorformulierten Stellungnahme der Stadtteilpolitiker. Ausdrücklich möchte der Bezirksausschuss zugleich sichergestellt sehen, dass bei der weiteren Planung darauf geachtet wird, wie sich das Projekt auf das Quartier an der Boschetsrieder Straße auswirkt.

Der Sprecher des BA-Unterausschusses Bau und Planung, Michael Kollatz (SPD), übersetzte den letzten Passus in Klartext: "Wir reden über ein Viertel, in dem es schon genug problematische Einrichtungen gibt. Man muss sich also die Gesamtsituation anschauen." Zur Gesamtsituation der betreffenden Gegend gehören Bordelle, flexibel genutzte Gewerbebauten, ein Projekt von Condrobs zur gemeinschaftlichen Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen und jungen erwachsenen Flüchtlingen sowie Studenten, darüber hinaus in absehbarer Zeit das "Junge Quartier Obersendling", ein weiteres Integrationsprojekt für junge Menschen mit unterschiedlichem Lebenshintergrund. "Ja", meinte denn auch CSU-Fraktionssprecher Reinhold Wirthl, "wir müssen aufpassen, wie es in Obersendling weitergeht".

Einen Zeitplan dafür hat allerdings auch die Stadtverwaltung noch nicht. Bekannt ist nur soviel: 2016 soll ein genaueres Betriebskonzept für die Wohnheime entwickelt werden, und voraussichtlich am 9. Juli wird der Sozialausschuss des Stadtrats die entsprechenden Beschlüsse fassen. "Wir betreten mit dem Konzept zur Unterbringung Wohnungsloser Neuland", sagte dazu ein Sprecher des Sozialreferats und warb um Verständnis für die zeitaufwendigen Vorarbeiten.

Dass Handlungsbedarf besteht, bezweifelt in München niemand, denn die Zahlen sprechen für sich: 4903 Personen (Stand Januar 2015), darunter 1237 Kinder, waren zuletzt "im Sofortunterbringungssystem für akut Wohnungslose" in der Landeshauptstadt registriert. Das entspricht einer Verdoppelung gegenüber 2008. Eine Tendenzwende sei in Anbetracht des Münchner Wohnungsmarktes und der steigenden Mietpreise nicht zu erwarten, heißt es in einer Vorlage des Sozialreferates zur Bauträgerauswahl; in Obersendling soll die Gewofag aktiv werden. Ein Schlaglicht auf die angespannten Verhältnisse werfe die länger werdende Warteschlange beim Ledigenheim an der Bergmannstraße. Der ungebrochen starke Zuzug von europäischen Arbeitsmigranten und Flüchtlingen verschärfe die Situation noch. "Für all diese Menschen Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, ist derzeit eine kaum noch zu bewältigende Herausforderung", heißt es weiter in dem Papier des Sozialreferates.

Bei der jetzigen Sofortunterbringung von Wohnungslosen zeigten "enorme Kostensteigerungen" die Grenzen des Vertretbaren auf. Stetig erhöhten sich die "Bettplatzpreise", und die Banken und Herbergsbetreiber verlangten lange Laufzeiten sowie immer höhere Ausfallgarantien. Das mittelfristige Ziel müsse deshalb sein, die Kosten zu senken, etwa durch den Aufbau neuer kommunaler Kapazitäten. Eben dies verlangt auch der BA Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln. "Die Errichtung städtischer Single-Wohneinheiten und Kleinwohnungen für Wohnungslose darf nicht zu einem Nachlassen beim Bau städtisch geförderter Wohnungen führen", heißt es in seiner Resolution.

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