Obersendling:"Massiver Schaden" entstanden

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Apothekerin prozessiert, weil ihr im Real-Markt außerordentlich gekündigt wurde

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Vor einem Jahr machte der Real-Markt in Obersendling dicht, und der Blick der Öffentlichkeit richtete sich auf die entstehende Versorgungslücke im Stadtviertel und auf das Dilemma der 116 von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter. Vom plötzlichen Ende des Einkaufszentrums an der Machtlfinger Straße waren jedoch auch mehrere Geschäftsleute betroffen, die dort als Untermieter der Real-SB-Warenhaus GmbH Läden oder Filialen betrieben.

Eine von ihnen, die Apothekerin Margitte Gramer, hat Real inzwischen auf Schadenersatz verklagt. Weil sie einen Mietvertrag bis 2026 habe, ihr zum Jahresende 2016 aber außerordentlich gekündigt worden sei und sie binnen einer Woche ihr Geschäft habe räumen müssen, sei ihr ein Schaden von mehr als 300 000 Euro entstanden. Der Fall könnte noch ganz andere Dimensionen annehmen. Dann nämlich, wenn weitere ehemalige Real-Untermieter - darunter McDonald's und Vinzenz Murr - Schadenersatz fordern. Der Prozess vor der 3. Handelskammer des Landgerichts München errege wegen der möglichen "Außenwirkung" erhöhte Aufmerksamkeit, konstatierte Alexander Siegmund, Anwalt der Apothekerin.

Der Vorsitzende Richter Matthias Musiol hat die Rechtsvertreter von Real am Freitag darauf hingewiesen, dass sie bei unbedachtem Vorgehen nicht nur wegen der Präzedenzwirkung eine Kostenlawine zu eigenen Lasten lostreten könnten, sondern auch durch teure Gutachten, die das Gericht zur KIärung des Sachverhalts anfordern müsste. Musiol machte zugleich klar, dass die Kammer "die Interessen der Untermieterin nicht hinreichend berücksichtigt" sieht. Nach Durchsicht der Verträge sei dieser Eindruck "an Eindeutigkeit und Klarheit kaum zu übertreffen".

Die Klägerin habe keine Chance gehabt, ihren Geschäftsbetrieb geordnet zu beenden, ihr sei ein "massiver Schaden" entstanden, wobei die genaue Höhe des Verdienstausfalls noch "der Substantiierung" bedürfe. Zweifel bestünden an der außerordentlichen Kündigung der Apothekerin. In einem ähnlichen Fall habe der Bundesgerichtshof eine "maßgebliche Entscheidung" getroffen. Danach darf ein Hauptmieter (hier: Real) selbst bei Auflösung seines eigenen Vertrags nicht einfach Untermietverhältnisse aufkündigen.

Wegen der absehbar sehr teuren Beweisaufnahme bei verhärteten Positionen riet der Richter den Parteien im Verlauf der Verhandlung wiederholt zu einer gütlichen Einigung. Bis Ende Januar 2018 will Real sich dazu erklären. Ungeachtet eines möglichen Vergleichs trugen Real-Anwalt Ewald Hansen und der Generalbevollmächtigte des Unternehmens, Martin Laue, ihre Sicht vor.

Demzufolge ist dem Handelshaus nichts anderes übrig geblieben, als den Geschäftsbetrieb an der Machtlfinger Straße 4 zum Jahresende 2016 einzustellen. Im Zuge von Sanierungsarbeiten habe sich nach und nach herausgestellt, dass die Immobilie ihre Standfestigkeit eingebüßt hatte; es sei unmittelbar nach der Schließung also bereits "um Gefahr für Leib und Leben" gegangen, wie ein Sachverständigen-Gutachten ergab. "Diesen Sachverhalt hätte man gründlicher vortragen müssen", merkte Richter Musiol dazu an. Ohne eine neuerliche, gerichtlich veranlasste Expertise werde sich kaum klären lassen, wie es um die Standsicherheit des Gebäudes zur Zeit seiner Stilllegung bestellt war und ob die Schließung unumgänglich gewesen sei, so die Kammer.

Wie es mit dem einst viel frequentierten Einkaufszentrum weitergeht, ist unklar. Abbruch und Neubau sollen beschlossene Sache sein. "Doch ein Bauantrag liegt der Stadt bis jetzt nicht vor", teilte am Freitag auf Anfrage ein Sprecher des Planungsreferats mit.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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