Obersendling:Glücklos vor Gericht

Obersendling: Daddeln, wo andere wohnen: In Obersendling regt sich zunehmend Protest gegen die Invasion der Spielhallen.

Daddeln, wo andere wohnen: In Obersendling regt sich zunehmend Protest gegen die Invasion der Spielhallen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Betreiber scheitert mit seinem Plan, einen Spielsalon an der Boschetsrieder Straße zu eröffnen

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Als Betreiber von Spielhallen dreht Werner Strunz landauf, landab ein großes Rad. Vor Gericht war dem Unternehmer aus dem oberbayerischen Alling das Glück jetzt allerdings weniger hold. Statt seiner machte die Münchner Stadtverwaltung wichtige Punkte - in ihrem Bemühen, die Ausbreitung von Spielsalons in Mischgebieten mit hohem Wohnungsanteil einzudämmen. Denn die 8. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts wies eine Klage der Automaten Strunz GmbH nachdrücklich ab.

Die Firma hatte versucht, eine von der Lokalbaukommission verweigerte Baugenehmigung für ein Glücksspielcafé an der Boschetsrieder Straße 51 a in Obersendling juristisch durchzusetzen. In einem zweiten Verfahren, in dem es um ein "baurechtliches Einschreiten" gegen den fast 30 Jahre alten Salon "Royal" in Obersendling ging, kassierte die Stadt wegen ihrer Genehmigungspraxis in früheren Jahren unverhohlene Kritik der Vorsitzenden Richterin Marion Pauli-Gerz. "Sowas habe ich noch nicht erlebt", sagte die Juristin. Die Geldspielgeräte im "Royal" sind nach ihrer Einschätzung "rechtlich überhaupt nicht abgedeckt". Das "Royal", zu dem ein großformatiges "Spielothek"-Schild den Weg weist, liegt auch an der Boschetsrieder Straße (Nummer 130-132), wird ebenfalls von Strunz betrieben und zählt mit mehr als drei Dutzend Geldspielautomaten zu den Schwergewichten in München.

Im Fall Boschetsrieder Straße 51 a, gegenwärtig ein leer stehender Laden, zeigte sich schnell, dass Geschäftsführer Werner Strunz und sein Anwalt Christian Szegedi bei der Vorsitzenden Richterin keinen Stich machen würden. Nach einem so genannten Augenscheintermin stand für Pauli-Gerz zweifelsfrei fest: Eine weitere Vergnügungsstätte habe in dem überwiegend von Wohnnutzung geprägten Gebiet nichts verloren. Zwei artverwandte Wettbüro-Cafés gibt es dort zu ihrer Verwunderung ohnehin schon. In Anbetracht der "massiven Wohnbebauung" hält Pauli-Gerz eine Genehmigung des beantragten Spielsalons in dem Kerngebiet nicht nur für deplatziert, sondern für "rücksichtslos". Nach gerichtlichen Erhebungen liegt das Mischungsverhältnis von Wohnen zu Gewerbe in dem betreffenden Bereich bei 80 zu 20.

Während die Vertreterin der städtischen Lokalbaukommission, Oberverwaltungsrätin Jennifer Junker, die Sichtweise des Gerichts komplett teilte, verteidigte Strunz-Anwalt Christian Szegedi die Spielsalon-Pläne seines Mandanten mit dem Hinweis, solche Betriebe seien "relativ ruhig" und fügten sich gerade an der östlichen Boschetsrieder Straße problemlos in eine Reihe anderer Geschäfte ein.

Auch widersprach Szegedi dem Eindruck, zwei der Vergnügungsstätten in enger Nachbarschaft wären im Genehmigungsfall nicht mal mehr als getrennte Einheiten identifizierbar. Im Areal zwischen der Boschetsrieder Straße 130-132 und der Mauthäuslstraße stellt sich die Lage noch viel eindeutiger als Wohngebiet dar. Zur Zeit der Eröffnung der Spielhalle "Royal" war das anders, damals gehörte zu den Blocks rund um den großen Innenhof noch ein Ladenzentrum. Davon sind nur eine Werkstatt, ein Pizza-Service sowie eben der Spielsalon mit seinen Sälen, Geldspielautomaten, Bar, Billard, Kicker, Flipper und Dartspielen übrig.

An dem Spielbetrieb nehmen Anwohner gleich aus mehreren Gründen Anstoß. Dem Ehepaar Marlene und Ludwig S. etwa geht das Treiben in ihrer Wohnanlage grundsätzlich zu weit. Sie forderten deshalb einen Lärm- und Sichtschutzzaun vor ihrem Haus. Allerdings stellte das Verwaltungsgericht fest, dass ihnen im Geflecht der Eigentumsverhältnisse die Klageberechtigung fehle. Damit bleiben sie auf den Kosten des zuvor abgetrennten Verfahrens sitzen, ohne etwas erreicht zu haben. Plausibler erschien der Vorsitzenden Richterin das Begehren eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen die Spielhalle an sich. Denn solche Einrichtungen seien in Wohngebieten schlicht nicht zulässig.

Marion Pauli-Gerz verfolgte die Genehmigungsgeschichte des Salons "Royal" im Laufe der Gerichtsverhandlung noch einmal zurück und gab ihrem Erstaunen Ausdruck, wie sich da eine ehemalige Gaststätte mit zwei Billardtischen nach und nach in einen gediegenen Hort des Glücksspiels verwandelt habe. Dass städtische Behörden mit teils unklaren Bescheiden dazu beigetragen hätten, quittierte sie mit einem Kopfschütteln.

Aus heutiger Sicht bestehe jedenfalls ein "Anspruch auf Rücknahme" dieser Bewilligungen und Baubeschreibungen. Das Verwaltungsgericht würde einem "Einschreiten gegen die Spielhalle" zweifellos stattgeben, versicherte Pauli-Gerz. Umso mehr erstaunte sie, dass Kläger Christian S. kurz vor dem angekündigten Urteilsspruch einen Rückzieher machte. Er will sich mit seinen Prozessgegnern jetzt außergerichtlich einigen. Für diese Suche nach einer einvernehmlichen Lösung räumt das Gericht ihnen zwei Wochen Zeit ein.

Sollte es nicht klappen mit dem Kompromiss, reicht die 8. Kammer ihr Urteil nach. Dass es im Sinne des Spielothek-Betreibers ausgehen würde, ist nicht zu erwarten. Dabei wird Werner Strunz nicht müde, die Harmlosigkeit seiner Spielbetriebe zu beteuern. "Jugendschutz, Suchtprävention, Lärmschutz, bei uns funktioniert alles tipptopp", sagte er der SZ. Und die Geschäfte liefen wegen der Internet-Gambling-Konkurrenz auf der einen und der hartnäckigen Verteidigung des Glücksspielmonopols durch den Staat auf der anderen Seite längst nicht so gut, wie vielfach angenommen werde.

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