Obersendling:Dicke Luft

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Eine Mietergemeinschaft im Obersendlinger Neubaugebiet "Südseite" beschwert sich vehement über Mieterhöhungen, fehlenden Ausgleich nach einem Kellerbrand und gesperrte Tiefgaragen. Wohnungsunternehmen GBW weist die Klagen zurück - und setzt auf Gesprächsbereitschaft

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Als der Bescheid des Wohnungsamtes bei ihr eintraf, hätte Sabina H. Luftsprünge machen können. Endlich eine größere Unterkunft für ihre wachsende Familie, gelegen obendrein im attraktiven Münchner Süden. Doch die Freude sollte nicht lange währen. Schon nach zwei Jahren wurde die Miete für ihre Wohnung an der Carola-Neher-Straße im Obersendlinger Neubaugebiet "Südseite" um rund zehn Prozent erhöht. Zudem seien die Nebenkosten überzogen, deren Berechnung undurchschaubar. "Wenn ich vorher gewusst hätte, was mich in Obersendling erwartet, hätte ich mir das mit dem Umzug nochmal gründlich überlegt", sagt Sabina H. heute.

Inzwischen fungiert die junge Mutter, die selber in der Wohnungswirtschaft arbeitet, als Sprecherin der Mietergemeinschaft Carola-Neher-Straße 26-34. Die Menschen aus der Siedlung mit 71 Wohneinheiten und 57 Tiefgaragen-Stellplätzen wehren sich nahezu kollektiv gegen die finanziellen Forderungen ihrer Vermieterin, der GBW-Gruppe. In ihrer Nachbarschaft auf der "Südseite" gebe es keinen vergleichbaren Fall der Mieterhöhung so kurz nach dem Erstbezug, haben sie recherchiert. Zugleich erheben sie eine Reihe spezieller Vorwürfe: Nach einem Kellerbrand sei nicht allen Betroffenen eine Mietminderung zugestanden worden. Tiefgaragen seien zeitweise nicht zugänglich, wohl aber kostenpflichtig gewesen. Und Hartz-IV-Empfänger sowie ausländische Bewohner der Anlage, die des Deutschen kaum mächtig sind, hätten keine Chance, mit ihren Beschwerden überhaupt gehört zu werden. Die GBW, eines der größten süddeutschen Wohnungsunternehmen, weist die Anschuldigungen zurück.

Die Mietergemeinschaft, soviel ist klar, wird nicht locker lassen. Gerade hat sie einen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) aufgesetzt, um darzulegen, warum man "total verzweifelt" sei. Wegen der unerwartet hohen Mietkosten fühlen sich viele Bewohner "sowohl vom Wohnungsamt als auch vom Vermieter in eine Falle gelockt", heißt es im Entwurf des Schreibens. Sie verweisen darauf, dass es sich bei ihren Wohnungen um Quartiere handelt, die einkommensorientiert, also sozial gefördert sind. Zu den sogenannten EOF-Wohnungen passen ihrer Meinung folgend hohe Mietsteigerungen und "satte Betriebskostennachzahlungen" überhaupt nicht, konstatieren sie.

Ärgerliche Post: Die Mieter in den Häusern Carola-Neher-Straße 26-34 setzen sich zur Wehr. (Foto: Stephan Rumpf)

In Gesprächen mit der GBW seien den Mietern zwar viele Rechnungen vorgelegt worden. Doch ob die Kosten tatsächlich angefallen sind, sei letztlich nicht nachprüfbar. "Misstrauisch macht uns die Tatsache, dass dem Rechtsanwalt eines Mieters keine Belege zugesandt worden sind", berichtet Sabina H. Die Immobilien-Fachwirtin erinnert an einen ähnlichen Fall am Ackermannbogen; dort habe die GBW nach heftigen Protesten eine Mieterhöhung zurückgenommen. Genau dies wollen sie und ihre Mitstreiter aus der Carola-Neher-Straße auch erreichen. "Wir fordern Aufklärung, Fairness und Schutz aller Mieter vor der Abzocke großer Immobilienriesen", heißt es in ihrem Brief an den Oberbürgermeister.

Die GBW hat zu den Vorwürfen eingehend Stellung genommen. Das Wohnungsunternehmen betont, ein "partnerschaftlicher Vermieter" zu sein, der großen Wert auf Transparenz und Fairness gegenüber den Mietern lege. Bestätigt wird, dass "bei einigen Wohnungen in der Anlage Carola-Neher-Straße 26-34 die Mieten seit 2015 erhöht worden sind". Die aktuelle Durchschnittsmiete liege bei 10,25 Euro pro Quadratmeter. Nach dem Münchner Mietspiegel betrage die ortsübliche Vergleichsmiete 12,87 Euro pro Quadratmeter; die Mieter an der Carola-Neher-Straße hätten also einen Vorteil. Zudem profitierten sie durch die einkommensorientierte Förderung (EOF). Deshalb werde die Belastung bei jenen Bewohnern, die wegen geringen Einkommens auf Zusatzförderung bauen können, dauerhaft unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die Mieter um Sabina H. ziehen diese Aussage in Zweifel; ihre Zahlungsverpflichtungen und die ortsüblich Vergleichsmiete glichen sich vielmehr schrittweise an, glauben sie.

In diesem Zusammenhang berufen sich beide Seiten auf den Mieterverein München. Fakt ist: Seit Ende 2014 besteht eine Vereinbarung zwischen dem Mieterverein und der GBW darüber, welche Richtlinien bei Mieterhöhungen einzuhalten sind. Danach müssen für eine formell wirksame Steigerung mindestens drei frei finanzierte Vergleichswohnungen angeführt werden, aus deren Miete eine ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt wird; davon werden dann 12,5 Prozent abgezogen. Auf keinen Fall darf die Mieterhöhung die Kappungsgrenze von 15 Prozent oder die ortsübliche Vergleichsmiete, die anhand des Mietspiegels errechnet wird, übersteigen. Ferner ist nur eine Erhöhung der Miete um maximal 99 Euro möglich. "Eine faire Lösung", findet die GBW.

Nach zwei Jahren wurde die Miete für ihre Wohnung an der Carola-Neher-Straße im Obersendlinger Neubaugebiet "Südseite" um rund zehn Prozent erhöht. (Foto: Stephan Rumpf)

Zum Konflikt um die Betriebskosten der Obersendlinger Wohnungen beteuert die GBW, stets eine "individuelle Prüfung jeder einzelnen Abrechnung" anzubieten und den Einblick der Mieter in die entsprechenden Unterlagen zu gewährleisten. Im Falle Carola-Neher-Straße habe sich 2014 "eine deutliche Differenz zum Vorjahr" ergeben, räumt sie ein. Das sei auf kalendarisch versetzte Abrechnungszeiträume unter Berücksichtigung der Heizperioden zurückzuführen. Bei der Wohnanlage werde besonders auf Energieeffizienz geachtet, versichert die GBW, die Mieter würden dabei "bestmöglich unterstützt". Die Grundsteuerumlage, von Sabina H. ebenfalls moniert, werde von der Stadt München erhoben und berechnet. Die GBW habe darauf keinen Einfluss, heißt es in der Erklärung des Unternehmens.

Zur Sache mit dem Kellerbrand teilt die GBW mit, sie sei "auch nachträglich gerne zu einem Entgegenkommen bereit" und biete Betroffenen, die sich bisher nicht gemeldet haben, eine Mietminderung an. Voraussetzung sei aber eine direkte Kontaktaufnahme. Von Beschwerden wegen der unzugänglichen Tiefgaragen-Zufahrten sei ihr "nichts bekannt", so die GBW. Den Vorwurf, einzelne Mietergruppen würden beim Service benachteiligt, weist die Firmengruppe, die mehr als 30 000 Wohnungen bewirtschaftet, "entschieden" zurück; weder Einkommen noch Nationalität hätten Einfluss auf die Gesprächsbereitschaft. Allen wird geraten, "mit Fragen oder Beschwerden unverzüglich zu uns zu kommen". Denn: Die GBW verfolge "immer das Ziel, Unstimmigkeiten schnellstmöglich aus der Welt zu schaffen".

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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