Obersendling:Das große Schlottern

Im ehemaligen Siemens-Komplex an der Hofmannstraße richtet man sich derzeit auf bis zu 780 Flüchtlinge ein. Die bereits eingetroffenen Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten vermissen vor allem eine Heizung

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Die vorübergehende Nutzung großer Gewerbeimmobilien als Unterkünfte für Flüchtlinge beschränkt sich im Münchner Südwesten nicht auf das ehemalige Gelände des Leuchtmittelherstellers Osram. Auch am ehemaligen Siemens-Standort Hofmannstraße ist kürzlich ein früheres Bürogebäude teilweise mit Asylbewerbern belegt worden. Bei einem Willkommens- und Kennenlernfest stellten Vertreter der Arbeiterwohlfahrt (Awo) München-Stadt - sie hat die Sozialbetreuung übernommen - sowie die Mitarbeiter eines Helferkreises die Herberge vor.

Die freundlich-bunte Begrüßung mit viel Musik und exotischen Speisen lenkte indes nicht lange davon ab, dass es rasch ein gravierendes Problem zu lösen gilt: Der ehemalige Büroriegel hat keine Heizung mehr. Das lässt die Bewohner, die überwiegend aus dem Nahen Osten und aus Afrika stammen, in den kälter werdenden Nächten ziemlich schlottern. Nicht wenige der Ankömmlinge sollen sich bereits eine Erkältung eingefangen haben.

Das städtische Amt für Wohnen und Migration will deshalb noch in dieser Woche damit beginnen, in den Nordtrakt des Bauwerks eine Heizung und eine Großküche einzubauen sowie marode Bauteile zu sanieren. Zugleich sollen für fröstelnde Familien mit Kleinkindern schnell "Einzelfalllösungen" gefunden werden. Die Wasserversorgung erfolgt weiterhin über Container.

Das lang gestreckte Gebäude auf dem ehemaligen Siemens-Gelände gehört der Patrizia Immobilien AG. Sie will dort in absehbarer Zeit die meisten Bestandsbauten abreißen, um Platz für das geplante Wohnviertel Campus Süd zu schaffen. Bis Ende 2017 hat die Stadt München mit der Patrizia eine Zwischennutzung vereinbart. Wohin die Flüchtlinge danach verlegt werden, weiß heute niemand.

Im Mitteltrakt des Hauses Hofmannstraße 69 sind derzeit etwa 190 Asylbewerber aus unterschiedlichen Herkunftsländern untergebracht. Als "Zielgröße" seien der Awo bis vor Kurzem 480 Personen genannt worden, berichtet Geschäftsführer Christoph Frey. Wegen des anhaltenden Zustroms weiterer Migranten ist die Zahl jedoch schon wieder überholt. Inzwischen geht die Stadt davon aus, an dieser Stelle Obersendlings bis zu 780 Flüchtlinge unterzubringen. Dass dies das letzte Wort sein wird, bezweifelt Frey: "Die Zahl ändert sich fast täglich." Flexibel zu bleiben, sei daher das Gebot der Stunde. "Wir passen unseren Personalstand in der Einrichtung an der Hofmannstraße den Flüchtlingszahlen laufend an", berichtet Frey.

Als "überaus erfreulich" schildert der Münchner Awo-Geschäftsführer die Zusammenarbeit mit dem Helferkreis und den Kommunalpolitikern im Stadtbezirk. Beim Willkommensfest zeugte zudem eine gut gefüllte Spendenkammer von der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Über bemerkenswerte erste Integrationsleistungen berichtete Stefan Kühn, Leiter der sozialpädagogischen Betreuung der Awo. So seien 30 Kinder in die Grundschule an der Baierbrunner Straße eingegliedert worden, und für die älteren Buben und Mädchen hätten sich Plätze in den Mittelschulen der Umgebung gefunden.

Der Kreis der Flüchtlingshelfer trifft sich stets mittwochs an Ort und Stelle. "Wir können noch Unterstützer brauchen", sagte Stefan Kühn der SZ. Wer mitmachen will, soll ihm zuvor per E-Mail (stefan.kuehn@awo-muenchen.de) mitteilen, wie er oder sie sich eine Mitarbeit vorstellt. Jederzeit stark gefragt sind Leute, die eine Dolmetscherfunktion übernehmen können.

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