Obersendling:Bauen für die Integration

Lesezeit: 2 min

Bundesweit einmalig: das "Junge Quartier Obersendling". Foto: GEG German Estate Group AG (Foto: GEG German Estate Group AG)

Die Stadt entwickelt das "Junge Quartier Obersendling", in dem Flüchtlinge gemeinsam mit Einheimischen wohnen sollen

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Es ist ein bundesweit einzigartiges Modellprojekt und rangiert auf der integrationspolitischen Prioritätenliste der Stadt ganz oben: das "Junge Quartier Obersendling". Auf einem Gewerbeareal zwischen Machtlfinger- und Schertlinstraße entsteht ein Bildungs-, Begegnungs- und Kulturzentrum mit 469 Wohnplätzen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Ulrich Höller, der Vorstandsvorsitzende des Investors, der GEG German Estate Group AG, stellten das 100-Millionen-Euro-Vorhaben am Dienstag vor.

Das Besondere daran: Hier sollen junge Einheimische und Flüchtlinge ausgebildet werden, in bezahlbaren Zimmern wohnen und gemeinsam Kultur- und Freizeiteinrichtungen nutzen. Zudem wechselt das Sozialbürgerhaus von der Plinganserstraße in die neue, aus fünf ehemaligen Bürogebäuden bestehende Anlage mit ihrer Grundfläche von 25 000 Quadratmetern. Weitere Komponenten: eine offene Kinder- und Jugendeinrichtung sowie ein Jugendcafé. Zunächst wird der einstige Büropark der Firma Siemens aus den Siebzigerjahren jedoch als Unterkunft für bis zu 800 Flüchtlinge "zwischengenutzt".

Für Reiter ist das "Junge Quartier Obersendling" ein "weiterer Meilenstein im Integrationsplan für München". Die Stadt hat das Areal gleich für 22 Jahre angemietet, denn Ausbildungsstätten und Schulungsräume für Vereine und Initiativen wie etwa die Schlau-Schule sollen langfristig zu Verfügung stehen. Auch auf die Notwendigkeit, junge Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren mit und ohne Fluchthintergrund unterzubringen und pädagogisch zu begleiten, richten sich das Sozialreferat und das Stadtjugendamt dauerhaft ein. Im Nutzungsmix des campusartigen Komplexes entfällt etwa ein Drittel auf "Büro und Verwaltung". Hinter der Rubrik verbirgt sich vor allem das künftige Sozialbürgerhaus mit seinen 200 Mitarbeitern. Die Stadt tritt als "Gesamtmieterin" auf.

Für die Immobilienbranche sei das Konzept völlig neu, sagte der GEG-Vorstandsvorsitzende Höller. Sein Unternehmen betrachte das "Junge Quartier Obersendling" als langfristiges Investment. Allein die Umnutzungskosten sollen sich auf 60 Millionen Euro belaufen. Damit Obersendling einen "elementaren Quartiersmittelpunkt" erhält, der Sogwirkung entfaltet, ist nicht zuletzt die Umgestaltung der Gebäudefassaden vorgesehen. Kai M. Dreesbeimdiek, Geschäftsführer der GEG Development GmbH, hob die "neuesten technischen Normen" hervor, nach denen die Büroriegel saniert werden. Zweifel an der Verkehrsverträglichkeit des Projekts, wie sie der Bezirksausschuss 19 wiederholt geäußerte hatte, versuchten Reiter und Höller mit dem Hinweis zu zerstreuen, zwischen der Machtlfinger- und der Schertlinstraße seien zu Siemens-Zeiten ähnlich viele Menschen unterwegs gewesen wie in Zukunft.

Im Übrigen dürften Autofahrer unter den künftigen Bewohnern alters- und einkommensbedingt eine Minderheit bilden. "Wir haben uns die Situation schon aus eigenem Interesse genau angeschaut und sind sicher, dass die Verkehrsinfrastruktur dort für die nächsten Jahre absolut ausreichend ist", so Höller. Zur Vorgeschichte des "Jungen Quartiers" sagte der GEG-Vorstandsvorsitzende, sein Unternehmen habe zunächst eine Umwandlung der mehr als 40 Jahre alten Riegel in moderne Büroflächen verfolgt. Kontakte mit dem städtischen Sozialreferat hätten dann jedoch zum Umdenken geführt. Die dabei entwickelte Dynamik soll beibehalten werden: Im dritten Quartal dieses Jahres wird die Detailplanung beendet, im vierten Quartal 2017 soll die Übergabe der ersten Mietflächen erfolgen, im vierten Quartal 2018 wollen Stadt und GEG die Bezugsfertigkeit des Gesamtkomplexes vermelden. OB Reiter nannte den Zeitplan "sportlich".

Frank J. Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit und Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, hat dem "Jungen Quartier Obersendling" Vorzeigecharakter bescheinigt. "Für mich ist das ein spannendes und begrüßenswertes Vorhaben", ließ er im Rathaus ausrichten.

© SZ vom 20.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: