Oberschleißheim:Harte Landung

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In einem Gutachten formuliert der Regionale Planungsverband München keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Umzug der Polizeihubschrauber nach Oberschleißheim. Die Widerstände aber bleiben - auch in München

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

"Es reicht!" "Das Maß ist voll!" "Eine Zumutung!" So lauten die Kommentare von Oberschleißheimern, wenn man sie auf die geplante Verlegung der bayerischen Polizeihubschrauberstaffel auf den Sonderflughafen anspricht, an dem schon die Fliegerstaffel der Bundespolizei stationiert ist. Das würde bedeuten, dass zu den derzeit durchgeführten 2500 Flügen im Jahr noch einmal 3500 hinzu kämen. Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) lehnt das Vorhaben vor allem wegen des befürchteten Lärms ab; in München sieht man den Umzug ebenfalls kritisch.

Nun hat sich auch der Regionale Planungsverband München (RPV) geäußert. Er macht keine grundsätzlichen Bedenken geltend - "wenn keine zusätzlichen Lärmbelästigungen entstehen, insbesondere für die Wohnbevölkerung der Gemeinde Oberschleißheim und des 24. Stadtbezirks Feldmoching-Hasenbergl der Landeshauptstadt München", wie es im Beschluss des Planungsausschusses heißt. Diesen Zusatz hatte München beantragt, dessen Vertreter, Stadtdirektor Stephan Reiß-Schmidt, ankündigte, die Stadt werde bis zum 22. Dezember noch eine detaillierte Stellungnahme abgeben. Wie auch Oberschleißheims Bürgermeister kritisierte Reiß-Schmidt das vom Innenministerium beauftragte Gutachten, "weil es viele Fragen schlichtweg nicht behandelt" - etwa welche Maßnahmen möglich wären, um die Bevölkerung vor Lärm zu schützen. Dass es überhaupt ein Planfeststellungsverfahren gibt, ist ein Erfolg der Gemeinde Oberschleißheim, die geklagt und das Verfahren gerichtlich durchgesetzt hatte.

Die Hubschrauberstaffel der Landespolizei ist bislang am Münchner Flughafen stationiert und ist dort, wie es in der Begründung des Freistaates für die Verlegung heißt, dem allgemeinen Flugbetrieb untergeordnet; deshalb kann es bei polizeilichen Einsätzen zu Verzögerungen kommen. In Oberschleißheim seien zusätzlich Synergieeffekte möglich, da die Staffel an die bestehende Infrastruktur der Bundespolizei andocken könnte.

Was das konkret für die Anwohner des Flugplatzes bedeutet, darüber gehen die Meinungen auseinander. Der Anwalt der Gemeinde Oberschleißheim hat auf 18 Seiten das Gutachten auseinandergenommen und eine Mustereinwendung verfasst, die Bürger im Internet ( /www.oberschleissheim.de) herunterladen können.

Zwar werde die Gemeinde weiter klagen, "aber Widerstand der Bürger ist immer gut", sagt er. Kuchlbauer listet zahlreiche Kritikpunkte am Gutachten auf - etwa die Annahme, dass es zu Spitzenzeiten durchschnittlich nur vier Nachtflüge geben wird. Wären es sechs, was Kuchlbauer für realistischer hält, müsste die Regierung Lärmschutzmaßnahmen ergreifen. Sehr verärgert hat ihn auch die Argumentation, Oberpfaffenhofen komme als Alternativstandort wegen Klagen und zu erwartender Bürgerproteste nicht in Frage: "Als ob es die Proteste in Oberschleißheim nicht gäbe ..."

Gabriele Kämpf zum Beispiel sammelt Unterschriften gegen die Verlagerung der Hubschrauberstaffel: "Wir als Bürger fühlen uns übertölpelt". Die Anwohnerin lehnt den erhöhten Flugbetrieb nicht nur wegen des befürchteten Lärms ab, sondern auch wegen der Angst vor Stickoxiden: "Das macht krank". Außerdem sorgt sie sich um die Naturschutz- und Erholungsgebiete: "Warum muss alles in den Münchner Norden gepackt werden?"

Diesen Punkt spricht auch Angelika Kühlewein an. Die Zweite Bürgermeisterin wohnt in der Fliegersiedlung, sie kennt klirrende Fenster, wenn Flieger darüber hinwegdonnern. Sie sagt aber auch: "Es gibt Zeiten, da ist es ruhig; es gibt Zeiten, da ist es extrem laut." Zug- und Autolärm belasteten Oberschleißheim schon stark genug. "On top noch diese Fliegerstaffel" - das würde das Maß voll machen. Wobei die Anwohner den Lärm sehr unterschiedlich erleben. Thomas Neumann etwa lebt in Lustheim. Ihn stören besonders die Motorengeräusche in der Nacht. "Ein unterschwelliges Brummen, wie ein kleiner Tinnitus", beschreibt er die Belastung. Er sagt aber auch: "Meine Frau hört es überhaupt nicht."

Rainer Walter, Einsatzleiter der Bundespolizei-Fliegerstaffel Oberschleißheim, vermutet, dass Thomas Neumann die Standlaufzeiten der Hubschrauber hört. Vor Starts in der Nacht könne es schon mal bis zu 15 Minuten dauern, bis der Check abgeschlossen ist. "Hier wird keine Minute länger der Rotor gedreht als nötig ist", versichert Walter. Aber die Checks seien lebenswichtig.

Neumann findet auch, dass mit den Hubschraubern ein Teil der Lebensqualität in Lustheim verloren geht. Er erzählt von Hubschraubern, die direkt über die Siedlung flögen. Einsatzleiter Rainer Walter widerspricht: "Das sind vielleicht private, die sich hier nicht auskennen, aber nicht unsere. So eilig kann man es gar nicht haben, dass man die veröffentlichten An- und Abflugrouten verlassen müsste." Darauf achte er als Einsatzleiter auch "sehr penibel". Immerhin gebe es ja noch den unmittelbar benachbarten Flugplatz Schleißheim, von dem aus ebenfalls Hubschrauber starteten. Tatsächlich gibt es den Sonderlandeplatz, von dem aus Segelflieger, Propellermaschinen bis zwei Tonnen und eben Hubschrauber starten. 10 000 Flüge im Jahr seien erlaubt, berichtet der Vorsitzende des Vereins, Thomas Schuster.

Aber wie sagte Landrat Christoph Göbel (CSU) in der Ausschusssitzung des Regionalen Planungsverbandes? "Wir müssen den Gesamtbetrieb des Flughafens in Augenschein nehmen." Denn Lärm entsteht hier wie da.

© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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