Obermenzing:Neues Frauenhaus für wohnungslose Schwangere und junge Mütter

Obermenzing: Zuflucht für die Kleinsten bietet das Haus an der Verdistraße.

Zuflucht für die Kleinsten bietet das Haus an der Verdistraße.

(Foto: Catherina Hess)
  • Der Sozialdienst katholischer Frauen hat in Obermenzing einen "Beherbergungsbetrieb" eröffnet, der ausschließlich Schwangere und Frauen mit kleinen Kindern aufnimmt.
  • Das Haus an der Verdistraße ist eine ambulante Einrichtung, vieles dort läuft in Eigenverantwortung.
  • In München ist dieses Frauenhaus einzigartig.

Von Ellen Draxel, Obermenzing

Nicole Prusac hat schon viel mitgemacht in ihrem jungen Leben. Jahrelang kämpfte die 35-Jährige mit gesundheitlichen Problemen, sie hat fünf Kinder von drei verschiedenen Vätern, in den Partnerschaften waren Gewalt und Unterdrückung an der Tagesordnung. Nun ist die Münchnerin zum sechsten Mal schwanger, mit dem Papa ihres Babys will sie zusammenziehen, sobald die beiden eine bezahlbare Wohnung finden.

Erst einmal aber lebt sie jetzt in einem Haus des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Obermenzing. In einem "Beherbergungsbetrieb", wie die Unterkunft im Fachjargon genannt wird, der ausschließlich Schwangere und Frauen mit kleinen Kindern bis maximal vier Jahre aufnimmt. Eine Besonderheit - so etwas gab es in München bislang nicht. Mitte Mai hat das Haus an der Verdistraße eröffnet, Anfang Juni ist Nicole Prusac dort eingezogen.

"Frauen, die schwanger sind oder kleine Kinder haben, sind in einer besonders verletzlichen Situation", erklärt Simone Ortner. Sie leitet den Bereich Wohnungslosenhilfe beim SkF und weiß, wie es in großen, von Männern dominierten Einrichtungen zugeht. "Da herrscht oft Respektlosigkeit, Ruhe gibt es kaum, und die sanitären Anlagen sind selten sauber."

In solchen Unterkünften müssten Frauen permanent Männerkorridore passieren, litten unter Stress und häufig auch Angst. Was sich wiederum negativ auf die emotionale Bindung zu den Kindern auswirke. "Man kann aber nicht immer das Kindeswohl postulieren und dann keine geschützten Räume bieten", sagt Ortner. Das neue Haus des SkF ist die Antwort der Stadt auf dieses Dilemma.

Die Herberge an der Verdistraße verfügt über 16 Zimmer für 16 Frauen und maximal zehn Kinder, einen hellen Wintergarten als Gemeinschaftsraum und einen idyllischen, 600 Quadratmeter großen Garten. An den Türen im Gebäude-Innern prangen messingfarbene Nummernschilder, den Fußboden in den Gängen ziert ein eleganter Teppichbelag.

"Bis vor kurzem war das Haus noch ein Hotel", erläutert Eigentümerin Nadja Lindinger. "Aber der Pachtvertrag lief aus und wir wollten kein weiteres Retortenhotel 2.0 daraus machen". Stattdessen entschloss sich Lindinger, mit dem SkF zusammenzuarbeiten. Auf eigene Kosten ließ sie das Gebäude sanieren und Räume wie Küchen, Personaltoiletten, ein Büro, einen Waschraum und ein Spielzimmer für die Kinder einbauen.

Die Frauen kümmern sich um ihre Zimmer

Die derzeitigen Bewohnerinnen fühlen sich wohl, das Haus, lobt Nicole Prusac, sei "ordentlich, sauber, ruhig, mit lauter netten Nachbarinnen". Kürzlich gab es die erste Hausversammlung, da merkte man, wie sehr die Umgebung die Frauen motiviert. "Sie wissen, dass sie Glückskinder sind", schmunzelt die für das Haus zuständige Sozialpädagogin Hannelore Nimz. Besonders die familiäre Umgebung und die eigenen Bäder in jedem Zimmer, dem Hotelstandard geschuldet, würden honoriert. "Die Frauen sind sehr reinlich, die Zimmer picobello sauber", sagt Nimz. Ein Umstand, der, wie sie betont, in Wohnungslosenunterkünften alles andere als selbstverständlich ist.

Das Haus an der Verdistraße ist eine ambulante Einrichtung, vieles dort läuft in Eigenverantwortung. Die Pforte ist vormittags besetzt, ansonsten wenden sich die Frauen an die Sozialpädagogin, wenn sie Unterstützung bei der Beantragung des Kindergelds brauchen, Ämter besuchen oder zur Schwangerschaftsberatung gehen wollen. "Ganz wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit der Hebamme und der Kinderkrankenschwester", ergänzt Nimz.

Obermenzing: Petra Reiter, Schirmherrin des Münchner Netzwerks Wohnungslosenhilfe, hat sich das Haus an der Verdistraße, wo Frauen und ihre Kinder eine Zuflucht finden, bereits angeschaut.

Petra Reiter, Schirmherrin des Münchner Netzwerks Wohnungslosenhilfe, hat sich das Haus an der Verdistraße, wo Frauen und ihre Kinder eine Zuflucht finden, bereits angeschaut.

(Foto: Catherina Hess)

"Wohnungslos zu sein", betont Petra Reiter, die Schirmherrin des seit einem Jahr bestehenden Münchner Netzwerks Wohnungslosenhilfe, dem außer dem SkF auch der Katholische Männerfürsorgeverein, das Evangelische Hilfswerk, die Innere Mission, der Internationale Bund, der Verein Wohnhilfe und die Arbeiterwohlfahrt mit insgesamt 15 Häusern in der Stadt angehören, sei kein gesellschaftliches Manko. "Das ist etwas, das jeden von uns treffen kann".

Niemand sei davor gefeit, seinen Job zu verlieren und dann auf der Straße zu stehen, bestätigt SkF-Geschäftsführerin Elke Prumbach. "Das Thema ist mittlerweile auch beim Mittelstand angekommen." Bei Frauen sind die Gründe für Wohnungslosigkeit allerdings teils anders gelagert als bei Männern. Ein typischer Fall ist laut Bereichsleiterin Simone Ortner, wenn die Partnerschaft scheitert und der Mann seine Lebensgefährtin, weil ihr Name nicht in den Mietvertrag aufgenommen ist, einfach vor die Tür setzt. "Meist wohnen die Frauen danach zwar zuerst bei Freunden, aber das geht selten auf Dauer."

Andere Frauen verlören ihr Zuhause aufgrund psychischer Erkrankungen: Bleibe das Gehalt aus, könnten irgendwann die gemieteten vier Wände nicht mehr bezahlt werden. Auch Gewalt ist Ortner zufolge häufig eine der Ursachen dafür, dass Frauen Hilfe brauchen. "Ein Kind zu bekommen, ist in solchen Fällen aber für die Frauen oft ein Grund zu sagen, es reicht jetzt, ich gehe, ich muss mein Baby schützen." Besonders schwer, weiß Ortner, hätten es Frauen mit Migrationshintergrund. "Da gibt es viele Vorbehalte bei den Vermietern."

Zum Jahreswechsel waren laut Statistik mehr als 7000 Menschen in München akut wohnungslos, davon 360 alleinstehende Frauen und knapp 1600 minderjährige Kinder. "Die Zahl der Kinder ist alarmierend, sie hat sich innerhalb der vergangenen acht Jahre vervierfacht", sagt Ortner. Und sie werde noch steigen, weil viele anerkannte Flüchtlingsfrauen ebenfalls Kinder, aber noch keinen Job haben. Der Sozialdienst der katholischen Frauen bewirbt sich deshalb gerade beim Wohnungsamt für ein Haus in der Nähe des Mangfallplatzes, das speziell für diese Gruppe gedacht ist. 48 Plätze soll das "Haus am Hollerbusch" bieten. Die Entscheidung liegt beim Stadtrat.

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