Obermenzing:Du fändest Ruhe dort

Ein Lindenbaum steht der Wiederinbetriebnahme des alten Kirchenfriedhofs St. Georg in Obermenzing im Weg. Der Streit um die Fällung soll im September entschieden werden

Von Jutta Czeguhn und Charlotte Schulze, Obermenzing

Eine Linde, das ergibt ein bis zwei Gräber. Oder sind es zehn? Merkwürdige Rechnungen werden da seit geraumer Zeit in Obermenzing aufgemacht. Geht es um Baumbestattungen, wie sie heute modern sind? Nein, im Bezirksausschuss (BA) diskutieren sie über die Fällung einer Linde, da sie mit ihrem Wurzelwerk die Belegung von Grabstätten beeinträchtigen könnte. Schauplatz ist der Friedhof an Obermenzings alter Dorfkirche St. Georg, die derzeit grundsaniert wird. Der Friedhof wird zwar nicht mehr als solcher genutzt, die letzte Beerdigung fand dort im Jahr 1913 statt. Im kommenden Jahr aber soll das ewige Ruhen im historischen Dorfkern dann wieder möglich sein.

Das Wasserwirtschaftsamt und die Münchner Friedhofsverwaltung haben dazu ihr Einverständnis erklärt, nachdem die zuständige Pfarrgemeinde Leiden Christi, die Bürgervereinigung Obermenzing und der BA dort über Jahre auf die Beerdigungserlaubnis gedrungen hatten. Ein Belegungsplan mit Grabfeldern liegt mittlerweile vor. Der Streit um die Fällung einer Linde aber könnte nun Korrekturen erforderlich machen.

Auf der Wiese südlich des Kirchenschiffs stehen heute ein paar altbairische Schmiedekreuze aus dem 18. Jahrhundert. Sie tragen keine Namen, sind Gestaltungsobjekte, denn niemand liegt unter ihnen begraben. Die letzten Grabsteine von Obermenzinger Familien, die ihre Toten auf dem Kirchenfriedhof hatten, wurden Ende der Sechzigerjahre entfernt, die Gebeine umgebettet. Eine Gedenktafel erinnert seit 1993 an die bei St. Georg Bestatteten. Entweiht wurde der Gottesacker allerdings nie, weshalb im kirchenrechtlichen Sinn auch nicht von Stilllegung die Rede sein kann. Die Begräbnisstätte bei St. Georg war 1913 schlichtweg abgelöst worden vom neuen Waldfriedhof.

Kirche St. Georg in Obermenzing, 2013

Stiller Fleck: Der Friedhof bei der Obermenzinger Dorfkirche St. Georg wurde 1913 zuletzt genutzt, nun soll es dort wieder Bestattungen geben.

(Foto: Schellnegger)

Das größte Hindernis für eine Reaktivierung des Kirchenfriedhofs, auf dem wohl schon vor 600 Jahren Menschen bestattet wurden, war von Amts wegen die nahe Würm. Im vergangenen Herbst aber rückten die Zuständigen im Wasserwirtschaftsamt und im Städtischen Bestattungsamt überraschend ab von ihrer Haltung, bei Würmhochwasser könnte das Grundwasser durch Leichenflüssigkeit verunreinigt werden.

Etwa 80 Gräber hatte es früher auf dem Grund rund um die kleinen Dorfkirche gegeben, die 1315 erstmals erwähnt wird, aber möglicherweise bereits im 9. Jahrhundert eine christliche Kultstätte war. Nach den Plänen, die mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt sind, könnten künftig auf der knapp 500 Quadratmeter großen Fläche 50 Einzel-, 15 Doppel- und zehn Urnengräber untergebracht werden. Dem Gräberfeld im Weg sind allerdings vier Bäume, zwei Robinien und zwei Linden. Bis auf die Linde, die im nordöstlichen Bereich des Areals nahe der Friedhofsmauer steht, hatte die Untere Naturschutzbehörde, keinen der Bäume als erhaltenswert klassifiziert. Ihrer Fällung hat der Bezirksausschuss inzwischen auch zugestimmt. Um die erhaltenswerte Linde aber entzündeten sich in den vergangenen BA-Sitzungen die Baum-versus-Grab-Diskussionen oder Naturschutz-versus-Denkmalschutz-Debatten.

"Ein Traum von Baum" ist diese Linde etwa für Constanze Söller-Schaar (SPD). Die Position von Klaus Günter Stahlschmidt, Pfarrer von Leiden Christi, in der Sache ist ebenfalls eindeutig: "Denkmalschutz und Baumschutz gehören hier nicht zusammen, die Kirche ist viel älter als die Bäume." Die Linde müsse aus zwei Gründen gefällt werden: Zum einen, damit der Friedhof angelegt werden kann. Zum anderen würde endlich wieder ein unverstellter Blick auf den Kirchturm freigegeben werden, der aktuell nahezu vollständig durch die Linde verdeckt werde. Was Stahlschmidt in der Juli-Sitzung auch erwähnte: Bei der Sanierung des Turms habe man feststellen müssen, dass das Wurzelwerk der Linde die Kirchenmauern beschädigt habe. Allerdings seien bei den Bauarbeiten beim Einsatz des Baggers auch die Lindenwurzeln in Mitleidenschaft gezogen worden. Das wiederum kam bei den Baumschützern gar nicht gut an. "Damit wurden Tatsachen geschaffen", klagte denn auch Bettina Vogel von den Grünen.

st Georg Obermenzing Plan für den Friedhof

In Reih und Glied: die Planung der Belegung des Friedhofs St. Georg.

(Foto: privat)

Dem Vorsitzenden der Bürgervereinigung Obermenzing, Frieder Vogelsgesang (CSU), ist der Kirchenfriedhof eine "Herzensangelegenheit". Zweifellos, so Vogelsgesang, ließen sich Argumente für beide Positionen - für einen Erhalt des Baumes wie auch für seine Fällung - finden. In Anbetracht der Tatsache, dass die gesamte Umgebung mit "wunderbarem Baumbestand" bestens versorgt sei, halte er eine Fällung zugunsten des Friedhofbetriebes und einer besseren Sichtbarkeit der Kirche für "sehr gut vertretbar". Zumal es in Obermenzing viele Leute gebe, die schlicht darauf warten würden, dass im alten Ortskern wieder Bestattungen möglich sind. Er wisse von Familien, die ihre Grabmäler wieder dorthin zurückverlegen wollen.

Der Lindenbaum wird die Mitglieder des Bezirksgremiums also weiter beschäftigen. In der ersten Sitzung nach der Sommerpause am 15. September im Pasinger Rathaus (19 Uhr) geht es dann erneut um die Frage "Baum oder Grab".

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