Prozess zu Online-Portal:Wenn Ärzte-Bewertungen in die Irre führen

Arztpraxis

Nicht nur im Wartezimmer, auch in den Bewertungsportalen möchten manche Ärzte über die Reihenfolge bestimmen.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Ein Arzt, der auf dem Online-Bewertungsportal Jameda ganz oben steht, war bisher nicht unbedingt der am besten bewertete. Man konnte sich die Position kaufen.
  • Verbraucherschützer klagten gegen die Praxis und hatten vor Gericht Erfolg.
  • Möglicherweise hat der Rechtsstreit auch Auswirkungen auf andere Portale.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

"Kennst Du einen guten Arzt?" Viele Menschen, die früher im Freundes- oder Kollegenkreis diese Frage gestellt haben, schauen längst online nach dem passenden Doktor: Wie zufrieden waren andere Patienten, wie vertrauenswürdig erscheint der Mediziner, nimmt er sich Zeit, bietet er auch alternative Heilverfahren an? Kein Internetportal gibt auf diese Fragen so viele Antworten, wie jameda.de - nach eigenem Bekunden "Deutschlands größte Arztempfehlung".

Was die Spitzenplatzierung kostet

Doch nicht jeder Arzt, der ganz oben steht, ist die Nummer eins auf der Bewertungsskala. Womöglich hat er die Spitzenposition bloß gekauft. Das muss von sofort an deutlich gekennzeichnet sein: Jameda ist am Donnerstag nur durch einen eiligen Rückzieher einer Niederlage vor dem Oberlandesgericht München (OLG) entgangen. Leberkäs oder Weißwurst? Edelboutique oder Discounter? Online-Händler oder doch das Fachgeschäft um die Ecke? Auf Empfehlungsportalen können Nutzer ihre Erfahrungen mit Dienstleistern weitergeben - das soll zum Vorteil anderer Verbraucher sein. Doch Empfehlungsportale sind mit Vorsicht zu genießen. Bei Jameda etwa kostet das "Platin-Paket" für den Mediziner 135 Euro, und schon erscheint er in seinem Fachgebiet über seinen Mitbewerbern. Und das auch, wenn diese von den Nutzern deutlich besser bewertet worden sind.

Jameda ist eine hundertprozentige Tochter der Tomorrow Focus AG, eines Unternehmens der Burda-Medien-Gruppe für digitale Werbung und Vermarktung. Der Vorsitzende des 29. OLG-Senats brachte das Geschäftsmodell in Anlehnung an den berüchtigten mittelalterlichen Ablassprediger Johann Tetzel auf den Punkt: "Wenn das Geld in der Kasse klingt, die Bewertung ganz nach oben springt."

Wie Wettbewerbsschützer argumentieren

Kläger war die Wettbewerbszentrale Frankfurt. Ihr Anwalt, der Münchner Wettbewerbsrechtsexperte Stefan Eck, fordert: "Verbraucher müssen eindeutig erkennen können, ob die Empfehlung eines Arztes durch eine unabhängige Bewertung entstanden ist, oder gekauft wurde."

Eine klare Unterscheidung sei speziell im Gesundheitsbereich erforderlich. "Denn die Gesundheit ist auch nach ständiger Rechtsprechung eines der höchsten Güter, das es zu schützen gilt", erinnerte der Anwalt. "Irreführungen sind also gerade in diesem Bereich unbedingt zu vermeiden." Was Jameda bisher betreibe, sei aber die "Verschleierung des Werbecharakters", sagen auch Richter.

Wie die Richter in der ersten Instanz urteilten

Schon in erster Instanz hatte die 37. Zivilkammer des Landgerichts München die Jameda-Praxis für irreführend erklärt. Die Nutzer, die auf der Seite nach den am besten bewerteten Medizinern suchen, gingen davon aus, dass die an oberster Stelle stehenden Ärzte auch die am besten bewerteten seien, meinte die Kammer. Die konkrete Gestaltung der Internetseite zeige nicht unmissverständlich dass die Ergebnislisten durch gekaufte Platzierungen beeinflusst seien.

Mit einer hellgrünen Unterlegung sind diese kommerziellen Top-Platzierungen auch noch farblich hervorgehoben. Regulär von Patienten bewertete Ärzte müssen sich mit weißem Hintergrund begnügen. "Diese grüne Unterlegung ist wie ein Lorbeerkranz", sagte nun der OLG-Senat dazu. Das gekaufte Privileg wird zudem durch ein Sternchen ausgezeichnet - bei den anderen Ärzten steht an dieser Stelle die Position im echten Bewertungsranking.

Wie Jameda sein Vorgehen erklärt

Die Jameda-Geschäftsführung hatte dazu eine seltsame Argumentation: Etwa bei Amazon sei "nur ein Stern" ein deutlicher Verriss durch Kunden - kein Arzt werde also durch den einen Stern herausgehoben. Erst wenn User sie mit dem Cursor am Bildschirm über die winzige Randnotiz "Premium-Partner" der top-platzierten Ärzte fahren, erfahren sie, um was es wirklich geht.

Dann ploppt ein Hinweis auf, dass diese Anzeigen optionaler Teil der kostenpflichten Premium-Pakete seien und in keinem Zusammenhang mit Bewertungen oder Empfehlungen stünden. Die Internetseite sei so gestaltet, dass Verbraucher gar nicht wissen könnten, dass die abrufbaren Ergebnislisten "durch Kauf manipuliert sind", hatte schon die erste Instanz dazu gesagt.

Das Oberlandesgericht machte nun keinen Hehl daraus, dass es diese Entscheidung für richtig hält und die Berufung "kaum eine Erfolgsaussicht" habe. "Wollen Sie wirklich nachlesen, was wir dazu denken?", fragte der Vorsitzende den Jameda-Geschäftsführer Fritz Edelmann. Nach einer kurzen Beratung mit seinem Rechtsanwalt Jörg Knupfer nahm Jameda das eingelegte Rechtsmittel zurück.

Das Portal hat nach eigenen Angaben 275 000 eingetragene Ärzte und Feedbacks von mehr als 5,5 Millionen Patienten. Mehr als 4,5 Millionen Patienten nutzten jeden Monat Jameda.

"Jameda ist nun verpflichtet, die Darstellung zu ändern", sagt Anwalt Eck. "Auch für andere Bewertungsportale, die möglicherweise in ähnlicher Weise gekaufte Ranking-Positionen nicht eindeutig als Werbung gekennzeichnet haben, wird diese Rechtsprechung von Bedeutung sein."

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