Oberlandesgericht:Bombensicher

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Der neue Hochsicherheitsgerichtssaal der Justizvollzugsanstalt Stadelheim sei das "Fort Knox" für Bayern, heißt es bei der Einweihung. Die Decken in dem Gebäude sollen Explosionen standhalten. Auch gegen Gefangenenbefreiungen durch Helikopter ist der Bau gerüstet

Von Christian Gschwendtner

Ein Hochsicherheitsgerichtssaal ohne Taschenkontrolle? Das gibt es selbstverständlich nur am Einweihungstag. Der Mann am Röntgenscanner kann sich ein Grinsen nicht verkneifen: "Heute keine Kontrollen, wir vertrauen ihnen." Er winkt die geladenen Gäste durch die Eingangsschleuse. Noch ein paar Schritte durchs Foyer, dann steht man im neuen Gerichtssaal der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim. Demnächst werden hier Terroristen, Kriminelle und sonstige Staatsgefährder auf der Anklagebank Platz nehmen. Speziell für Prozesse mit einem hohen Gefahrenpotenzial hat man den Gerichtssaal entworfen. Jetzt, nach zweieinhalb Jahren Bauzeit, ist er fertig, mit einer sechsmonatigen Verspätung.

Der Freistaat hat sich sein Prestigeobjekt einiges kosten lassen. Insgesamt 17 Millionen Euro hat der Saal gekostet, der zusammen mit einer neuen Gefängnisturnhalle errichtet wurde. Viel Geld, weshalb sich Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) in seiner Einweihungsrede am Montag auch eine kleine Spitze in Richtung Berlin nicht verkneift. Über eine Beteiligung des Bundes hätte man sich schon gefreut. "Hier sind wir aber auf verschlossene Ohren gestoßen", sagte Bausback.

Ursprünglich kalkulierten die Verantwortlichen mit Kosten von 15 Millionen Euro. Dass es am Ende doch etwas teurer wurde, dafür hat man eine einfache Erklärung. "Wir haben uns viele Erkenntnisse aus den Staatsschutz-Verfahren der vergangenen Jahre zu Nutze gemacht", erklärt Bausback. Die Technik sei laufend angepasst worden. Insbesondere aus dem NSU-Prozess seien die entsprechenden Lehren gezogen worden.

Entstanden ist ein 270 Quadratmeter großer Gerichtssaal, der sich wie eine Dreifachturnhalle in zwei kleinere Säle unterteilen lässt. Ausgelegt auf maximal 250 Personen. Die Decken sollen, für den Fall der Fälle, Explosionen standhalten. Zusätzlich angebrachte Stahlkabel sollen Gefangenenbefreiungen per Helikopter unmöglich machen. Ein besonderes Anliegen war den Planern außerdem ein unterirdischer Gang, über den die Schwerverbrecher separat von der JVA in den Gerichtssaal geführt werden können. Aufwendige Gefangentransporte durch die Innenstadt dürften so bald zur Ausnahme werden.

Nur Beate Zschäpe, die im Frauengefängnis in Stadelheim sitzt, wird auch weiterhin durch die halbe Stadt in das Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße transportiert. Eine Verlegung des NSU-Prozesses steht derzeit nicht zur Debatte. Obwohl der neue Hochsicherheitsgerichtssaal eigentlich dafür prädestiniert wäre. Laut Andrea Titz, der Sprecherin am Oberlandgericht, würde ein Ortswechsel aber zu "immensen Reibungsverlusten" führen. Der Schwurgerichtssaal an der Nymphenburger Straße sei schließlich extra für das NSU-Verfahren umgebaut worden.

Auf seine erste Bewährungsprobe muss der neue Hochsicherheitsgerichtssaal deshalb noch ein paar Wochen warten. Dann wird der seit Juni laufende Prozess gegen neun Mitglieder und eine Führungsperson der türkisch-kommunistischen Partei TKP/ML nach Stadelheim verlegt. Für das Verfahren fühlt sich die Justiz mit dem neuen Gerichtssaal bestens gewappnet.

Bei der "Feierstunde" am Montagvormittag sprach Peter Küspert, der Präsident des Münchner Oberlandesgerichts, sogar von einem "Fort Knox der bayerischen Strafgerichtsbarkeit", über das die Justiz dank der neuen Räumlichkeiten nun verfüge. Das sei auch bitter notwendig gewesen, weil die Anzahl der Staatsschutzprozesse in den letzten Jahren zugenommen habe. Küspert verwies in dem Zusammenhang auf die vier Prozesse mit ihren 20 Angeklagten, die aktuell laufen. Es war auch das Oberlandesgericht (OLG) selbst, das vor zehn Jahren die Idee eines Hochsicherheitsgerichtssaals ins Spiel brachte. Neben Stadelheim gibt es eine solche Einrichtung bisher nur in Düsseldorf. Auch wenn der neue Gerichtssaal nun formal auf dem Gelände der JVA steht, das OLG bleibt selbstverständlich der Hausherr. Es wird akribisch darauf achten, dass die Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden. Der Einweihungstag war eben eine Ausnahme.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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