Oberbürgermeister:Reiters Bauchentscheidung zum Wiener-Platz war richtig

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Die Standl am Wiener Platz können wohl bleiben. (Foto: Robert Haas)

Gefühl besiegt Verstand: Das ist beim Erhalt des Wiener Platzes erfreulich, birgt aber auch große Gefahren für den Oberbürgermeister.

Kommentar von Frank Müller

Als "Goldiger Reiter" wurde der Münchner Oberbürgermeister vor einem Jahr auf dem Nockherberg veralbert, in Anlehnung an einen Song aus Zeiten der Neuen Deutschen Welle. Das war hübsch, doch der viel passendere Hit für Dieter Reiter ist ein Deutsch-Pop-Song aus dem vergangenen Jahr: In "Herz über Kopf" geht es um widerstreitende Emotionen, um den Zwiespalt von Vernunft und Gefühl. Mit der schönen Refrainzeile: "Immer, wenn es Zeit wird zu gehn, vergess ich, was mal war, und bleibe stehn."

Im Song siegt das Herz, so ist es auch beim leidenschaftlich selbst musizierenden Dieter Reiter. Oder soll man sagen: Es siegt der Bauch? Was Reiter am Dienstagnachmittag eher lapidar über die Zukunft des Wiener Platzes verkündete, ist in jedem Fall ein Sieg der Organe des Oberleibs über den Kopf.

Die bei den Münchnern äußerst beliebte Miniaturausgabe des Viktualienmarkts auf dem zentralen Haidhauser Platz bleibt im Wesentlichen so, wie sie jetzt ist, verfügte Reiter nach einem Ortstermin. Alle ehrgeizigen, über Monate hinweg ausgefeilten Umgestaltungspläne seiner eigenen Verwaltung sind damit Makulatur, mal eben hinweggefegt. Herz über Kopf.

Alles ist gut, solange das Gespür stimmt

Wenn irgendwann gefragt wird, was von der Ära Reiter bleibt, ist es vielleicht diese Form der Politik nach Bauchgefühl. Die Münchner kennen ihren OB inzwischen als den Mann, der Flüchtlingsunterkünfte schließt, die ihm gar nicht gehören (wie im Fall Bayernkaserne). Als einen, der "Scheiß drauf" sagt, wenn es beim Anzapfen nicht klappt. Als einen, der gerne auch mal den Kurs wechselt, aber es dann nicht mag, wenn man das einen Kurswechsel nennt.

Bislang hat Reiter das Gespür nicht getrogen, und München ist damit nicht schlecht gefahren. Reiter ist ein Mann, der aus der Verwaltung kam, und sich genau deswegen relativ leicht tut, sich über deren Wünsche hinwegzusetzen. Doch ohne Risiko ist die mitunter burschikose Art von Reiters Amtsführung nicht. Wer gerne Machtworte spricht, hinterlässt immer jemanden, den er verprellt.

Und er setzt sich der Gefahr aus, auch mal gravierendere Bedenken einfach wegzuwischen, weil man es halt besser weiß. Im Fall Wiener Platz freilich bewirkt Reiters Eingreifen das Richtige: Man kann einen der schönsten Münchner Plätze auch einfach so lassen, wie er ist.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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