OB-Kandidatin Brigitte Wolf:Roter Pfeffer im Konsensbrei

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Brigitte Wolf tritt als OB-Kandidatin für die Linke in München an. (Foto: Robert Haas)

Selbst bei politischen Gegnern gilt Brigitte Wolf als sachorientiert. Die Stadträtin von der Linken rechnet zwar nicht damit, tatsächlich Oberbürgermeisterin in München zu werden. Dennoch hat sie Gründe für ihre Kandidatur.

Von Melanie Staudinger

Kostenloser Eintritt zu den Fußballspielen in der Allianz-Arena? Für viele Münchner ein Traum, Brigitte Wolf allerdings hat 2008 ihr Ticket zurückgeschickt. Nicht nur, weil sie kein Fußball-Fan sei, sondern weil sie diese Praxis juristisch fragwürdig finde, argumentierte die Linken-Stadträtin. Die Begründung der Stadtoberen, dass Kommunalpolitiker kontrollieren müssten, in was sie Steuergeld investierten, ging ihr nicht weit genug.

Wolf fand auch die Bewerbung Münchens für die Olympischen Spiele sinnlos. Ironisch fragte sie, ob es auf den Straßen der Landeshauptstadt dann vom Verkehr befreite "Kremlspuren" gebe. Sie protestierte gegen die Sicherheitskonferenz und lehnte den Bau einer dritten Startbahn ab.

Wer nun aber denkt, dass die 51-jährige Oberbürgermeisterkandidatin der Linken sich schlicht gegen alles auflehnt, der irrt. Vehement setzte sie sich für ein Sozialticket im öffentlichen Personennahverkehr ein. Wolf engagiert sich für mehr Bürgerbeteiligung. Erst kürzlich unterstützte sie einen Grünen-Antrag, der die Einführung von Online-Petitionen auf Stadtebene forderte.

"In diesem Fall hat man wieder einmal gesehen, dass wir der Stadtverwaltung nicht alles durchgehen lassen dürfen", sagt Wolf. Die hatte die Möglichkeiten von Unterschriftenlisten im Internet erst gar nicht richtig geprüft - mit dem Verweis, dass die Gemeindeordnung ein solches Instrument nicht vorsehe.

Eine Allrounderin mit klaren Worten

Deutliche Worte, für die die Politikerin im Münchner Stadtrat Ansehen genießt, selbst bei der rot-grünen Mehrheit, die von ihr gerne mal als "Konsensbrei" bezeichnet wird. Wolf gilt als moderat, sachorientiert -und als eine Kommunalpolitikerin, die sich ernsthaft mit dem städtischen Haushalt auseinandersetzt.

Im Gegensatz zu ihren Stadtratskollegen Orhan Akman, der sich auf Gewerkschaften spezialisiert hat, und Dagmar Henn, die auf den Sozialbereich gebucht ist, sehen viele Wolf als Allrounderin. Daher überrascht es nur wenig, dass der Kreisverband sie zur Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt aufgestellt hat.

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Ihre Chancen schätzt sie realistisch ein. "Gewinnen werde ich nicht", sagt sie. Warum sie dann kandidiert? "Weil es Aufmerksamkeit für die Partei sichert", räumt Wolf ein, die nur ungern über ihr Privatleben spricht. Zu Podiumsdiskussionen würden schließlich fast nur die OB-Bewerber eingeladen.

Als Kandidatin könne sie linke Themen besser in der Öffentlichkeit positionieren - auch wenn sie meist in der Kategorie "Wer noch antritt" genannt wird. Uneigennützig tut sie das aber auch nicht. Es habe sie schon gereizt, anzutreten. "Da Christian Ude aufhört, wird es eine spannende Wahl am 16. März", sagt sie.

Wolf ist es gewohnt, aus einer Minderheitenposition heraus zu agieren. Geboren und aufgewachsen in Augsburg, studierte sie an der Technischen Universität in München Informatik. Schon damals engagierte sie sich die einstige Schülervertreterin politisch: in der Fachschaft, in der Anti-Atombewegung, der Friedensbewegung und in der Kurdistan-Solidarität.

Nach dem Abschluss 1987 suchte sich Wolf einen Job in der Softwareentwicklung - einer männerdominierten Branche. Warum sich Frauen dort offenbar nur schwer durchsetzen, kann sich die Politikerin nicht erklären. "Im Studium hatte ich viele Kommilitoninnen, aber irgendwie zieht es Frauen nicht in Jobs, in denen sich auch Geld verdienen lässt", sagt Wolf und schüttelt den Kopf.

Auch in der Politik sieht sie sich mit einer Männerdominanz konfrontiert, weshalb Solidarität und Gleichberechtigung von Anfang an zu ihren Schwerpunkten zählten. 1995 trat Wolf in die PDS ein, die sich nur ein Jahr zuvor im Westen Deutschlands formiert hatte. 1996 wollte sie mit einem linken Bündnis in den Stadtrat einziehen, scheiterte aber an den Unterstützerunterschriften.

2002 klappte es dann mit einem Mandat für die PDS, doch Wolf blieb zunächst Einzelkämpferin. Erst bei der Kommunalwahl 2008 gelang es der Linken, mit drei Politikern in den Stadtrat einzuziehen. "Ich glaube, dass wir eine sehr gute Arbeit geleistet haben", sagt Wolf. Die sich so aber nicht fortsetzen wird: Henn und Akman kandidieren nicht mehr.

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Trotz neuer Gesichter hofft Wolf bei dieser Wahl auf mindestens vier Sitze. Stimmen gewinnen will sie etwa mit einer Ausweitung des Sozialtickets auf mehr Berechtigte oder mit der Forderung nach einem kostenlosen Nahverkehr. Dass das die Stadt gut 700 Millionen Euro kosten könne, sei ihr bewusst. "Wir müssen das mit Steuergeld bezahlen und dem muss eben eine gesamtgesellschaftliche Diskussion vorausgehen, dass wir weniger Autos in der Stadt haben wollen", sagt sie.

Auch will Wolf sich dafür einsetzen, dass die Stadt selbst mehr Wohnungen baut - das sei der einzige Weg, bezahlbaren Wohnraum wirklich sicherzustellen. Solche Vorschläge bestätigen aber auch das Misstrauen, dass der Linken von den politischen Gegner entgegenschlägt: Die Bezahlbarkeit, so der Vorwurf, spiele bei Wolf und ihren Kollegen zu oft keine Rolle. Die wiederum kontert: "Man muss erst mal diskutieren und nicht alles gleich aus Geldmangel abbügeln."

© SZ vom 25.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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