Ob Djembe oder Conga:Viel Wirbel um die Trommel

Wer sich traut, versinkt im Rhythmus. Das macht nicht nur Spaß, sondern kann auch helfen, abzuschalten und Kraft zu schöpfen

Von Renate Winkler-Schlang

Die Musik ist afrikanisch, gespielt aber wird sie in der Toskana: Im Sommer kommen die Trommelschüler von Rainer Arold aus ihrem schummrigen Keller an der Leonrodstraße und reisen in die Sonne Italiens. Die große Fangemeinde des 52-jährigen Djembe-Lehrers kann dort nach Herzenslust laut sein. Und wer mag, widmet sich dort mit Helga Köhler auch noch dem afrikanischen Tanz. Bald danach beginnen in München wieder die Kurse und Workshops. Doch getrommelt wird auch Samba, indisch oder arabisch, zur Gewaltprävention, aus gesundheitlichen oder aus esoterischen Gründen, oft mitten in München. Die Nachfrage ist groß. Das bestätigen Marianne Müller-Bandeck, Leiterin des Fachbereichs Musik bei der Volkshochschule, und Eva-Maria Weber-Roth vom Freien Musikzentrum.

Ursprünglich ist er Diplom-Biologe: Rainer Arold hat sich sein Studium mit Gitarren- und Orgel-Unterricht verdient. Bald bekam er Kontakt mit Lehrern aus Afrika wie Famadou Konate. Das große Klangspektrum von Bass bis Slap, von kräftig und tief bis fast schrill auf der ziegenfellbespannten Djembe, der bauchigen afrikanischen Trommel, faszinierte ihn sofort. Die traditionellen Rhythmen haben einfache Grundstrukturen. Doch zu den verschiedenen Djembe-Stimmen kommen die der großen Basstrommeln Dundun, Sangban und Kenkeni. Es entstehen sehr komplexe Stücke: "Man kann es nicht alleine spielen." Arold bekam als Biologe anfangs Teilzeitjobs. Zeit also für die Musik. Dass er ganz umsattelte, hat er nie bereut.

Uschi Billmeier hat unter anderem bei Mamady Keita gelernt. Die Gründerin der "Djembeschule München" war Rhythmiklehrerin, kam über die Bewegung zum Trommeln. Sie ist sicher: "Diese Musik hat was mit der Seele zu tun." "Es kommt einem nicht fremd vor", ergänzt Arold: "Ob Blues oder Jazz, Rock oder Pop, sie alle haben letztlich ihren Ursprung in Afrika."

"Bam babambam ba bam bababam": Arold gibt das Startzeichen. Es ist eine der letzten Stunden der Donnerstagsgruppe für Fortgeschrittene vor dem Trommelsommerfest. Hinterhof, Kellertreppe runter, an der großen Waschküche vorbei, erste Tür auf, dann die zweite, dick gepolstert: Arold hat sich einen niedrigen, schalldichten Raum im Raum ausgebaut. Künstliches Licht, Ventilator, keine Toilette. Dennoch der Traum der Trommlerinnen. Petra sagt, hier hole sie sich ihre Kraft. Ihre Woche reiche gefühlt von Donnerstag zu Donnerstag. Sigrid sagt, das Trommeln habe sie seit vielen Jahren begleitet, ihr in mancher Krise Halt gegeben.

Garangedon heißt das Stück. "Gleich in den Groove, ohne Break." Die Gruppe wird eins, die Luft vibriert. Ein Blick des Lehrers und alle wissen: Échauffement. Die Wucht wird noch stärker. "Abschalten und gleichzeitig voll konzentriert sein", sagt Sabine: Das gefalle ihr. An den Stress droben kann sie hier nicht denken, keine Sekunde. Wer will an die große Trommel? "Das Gute ist, dass Rainer jede von uns jede Stimme spielen lässt", betont Sigrid. Überhaupt sei er geduldig. "Jetzt hab ich gehört, wo ich einsetzen muss", freut sich Petra. "Und wir haben gehört, dass du es gehört hast", sagt Rainer. Kein Tadel, kein Stress.

"Ich wollte es jahrelang und hab mich nicht getaut": Ein oft gehörter Satz. Offenbar braucht es anfangs mehr Mut als für Blockflöte oder Gitarre. Dabei machen es die Anbieter den Anfängern leicht: Sowohl die freien Lehrer wie auch VHS und Musikzentrum bieten Schnupperkurse oder Einsteigerworkshops zu moderaten Konditionen. Kein Kurs ohne Instrumentenfundus: Anfänger dürfen überall erst einmal leihen, kaufen sich ihr Instrument erst, wenn sie wirklich Feuer gefangen haben. Dann aber sollte es ein gutes sein, keine Massenware. Für Djemben etwa gibt es rund um München zwei Werkstätten, die die Lehrer empfehlen, mit Trommelbauern, die ihr Handwerk von Afrikanern lernten, jetzt aber auch heimische Hölzer und Felle benutzen: Josef Bachmeier aus Inkofen bei Freising ist der eine, Martin Höcker in Gräfelfing der andere. Für letzteren findet etwa Volker Giesecke, der die private Gruppe "Herzklopfen" gegründet hat, nur Lob: "Er spannt nicht einfach, er stimmt die Trommel." "Ein gutes Fell muss man kaum nachspannen", erklärt Bachmeier. Giesecke betont, dass "Herzklopfen" nicht esoterisch sei: "Feuer machen und rumtrommeln wäre mir zu wenig." Dennoch schwärmt er vom gesundheitlichen Nutzen.

Vom Ohr direkt in die Hand, so lernen Menschen in Afrika, auf ihren Festen, von klein auf. Hierzulande haben die Lehrer eine Notenschrift entwickelt, Uschi Billmeier hat ein ganzes Buch gemacht: "Die Djembebibel", sagt sie selbstbewusst, sie benutzt es auch in ihrem Unterricht für Djembelehrer. Dass Trommel kein Instrument ist, das man Zuhause zuverlässig üben kann, wissen die Pädagogen. Petra aus der Donnerstagsgruppe erzählt, sie fahre in den Wald, lege eine Übungs-CD im Auto ein und spiele los. Selbst das habe ihre betagte Nachbarin noch herüberschallen gehört. Andere packen ein Handtuch auf die Trommel oder trainieren die Abläufe auf dem Küchentisch. Oder sie nutzen jede Gelegenheit, buchen gleich zwei Kurse parallel. Judith zum Beispiel hat das getan. Sie ist Stammteilnehmerin bei Rainer Arold, genauso begeistert aber auch bei Werner Kaiser, dem Sambalehrer, der in Moosach, Giesing und am Hauptbahnhof insgesamt rund 150 Schüler hat.

Ob Djembe oder Conga: Djembelehrerin Uschi Billmeier (Mitte, hier mit Marcus Ottschofski und Karin Herzog) bildet auch andere Lehrer aus.

Djembelehrerin Uschi Billmeier (Mitte, hier mit Marcus Ottschofski und Karin Herzog) bildet auch andere Lehrer aus.

(Foto: privat)

In der Sambaszene, erzählt Judith, tue sich einiges, Gruppen lösten sich auf, andere bildeten niemanden aus. Kaiser, den Gründer der Bateria Z, nennt sie einen Glücksfall für sich. Der erklärt, er trenne die Level: Mancher brauche zwei Jahre, bis er reif sei für die Auftrittsgruppe, andere seien Naturtalente oder ehrgeiziger. Viele Schüler kommen, weil sie Bateria Z live erlebt haben, etwa beim Isarinselfest oder beim Streetlife. So ist es auch bei Lehrerin Janine Fontaine Schmitt von Drumadama. Auch bei ihr gibt es alles von Workshop bis zum Auftritt. Möglichkeiten dafür bieten oft die Stadtteil-Kulturzentren. Arold etwa veranstaltet regelmäßig die Djembenächte im Eine-Welt-Haus.

Kaisers Credo lautet, "die Elemente der anderen Kulturen nutzen und für uns hier das beste draus machen". Im Freien Musikzentrum sind sie eher stolz auf Dozenten aus den außereuropäischen Ländern, die den Schülern mit der Musik auch die Kultur vermitteln. "Das Lebensgefühl", sagt Weber-Roth. Ihr ist wichtig, was auch für die meisten anderen gilt: Kein Druck, dafür Gruppenerlebnis. "Jeder kann sich trauen." Die VHS, die einen weiten Bogen spannt, bietet dafür auch Workshops in ihrem Sommerprogramm. Man muss also nicht in die Toskana. "Trommeln, das ist nicht banal", weiß Müller-Brandeck. "In anderen Kulturen gehört es zwingend zum Leben dazu", ergänzt Weber-Roth. Arolds Schüler schätzen es auch hier . Sigrid meldet sich mutig: "Nachher mach vielleicht wirklich ich mal das Solo."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: