Nymphenburg:Umstrittenes Biotopia

Kritiker des geplanten Museumsneubaus werfen den Befürwortern Stilbruch am Nymphenburger Schloss vor. Bei einer gemeinsamen Ortsbegehung von Anhängern, Gegnern und Behörden werden die Unterschiede deutlich

Von Sonja Niesmann, Nymphenburg

"Wow!" hat Michael John Gorman beim ersten Blick auf die Nymphenburger Schlossanlage ausgerufen, "what a perfect setting to create a new museum". Das Schloss ist wunderschön, das neue Biotopia-Museum wird ebenfalls etwas Großartiges, "international Bedeutsames", schwärmen seine Macher, in jedem Wort hörbar von Begeisterung, von Leidenschaft erfüllt - soweit besteht sogar Einigkeit. Der im Architektenwettbewerb 2014 siegreiche Neubau-Entwurf, vor allem seine Fassade an der Maria-Ward-Straße, angrenzend an die Grundschule, erhitzt jedoch seit Monaten die Gemüter. Der Entwurf ist nicht in Stein - in diesem Fall Sichtbeton - gemeißelt, er wird noch überarbeitet, verändert, das hat schon das Preisgericht festgehalten, das wird immer wieder betont. Doch an diesem Tag, als Vertreter des Museums Mensch und Natur und des künftigen Museums Biotopia, seines Förderkreises sowie Vertreter des Staatlichen Bauamts, des Landesamts für Denkmalpflege, Mitglieder des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg und interessierte Bürger sich an Ort und Stelle zu Information und Diskussion treffen, ist das Berliner Architekturbüro Staab nicht da, um Position zu beziehen. "Seine Planungen sind noch nicht soweit, dass wir Ihnen etwas zeigen können", erklärt Ulrike Rehwagen, die den Biotopia-Aufbaustab leitet.

Denn erst 2015 stand der Ire Gorman als neuer Biotopia-Gründungsdirektor fest, der "natürlich auch eigene Ideen hatte und einen Masterplan erstellen ließ", erläutert Rehwagen. Deshalb sei man erst seit Jahresbeginn dabei, das neue Museum konkret zu planen, Funktionen zu verteilen: Wohin sollen Ausstellungsräume, Vorführsäle, Werkstätten, Museumspädagogik, Kindermuseum, Café? Nach dem Prinzip "Form folgt Funktion" müsse sich auch der Architekt richten bei der Weiterplanung. Eine Wettbewerbsarbeit "zeigt die Richtung, die eingeschlagen wird", versucht Kurt Bachmann, der Leiter des Staatlichen Bauamts München I, klarzumachen. Die (Außen-)Architektur hänge auch mit der Nutzung innen zusammen: Wenn man einen Ausstellungsraum von sechs bis acht Metern Höhe brauche, könne die Fassade an dieser Stelle schwerlich Fenster haben. Im Herbst, so versprechen Museumsplaner und die Bauherren des Freistaats, werde ein neuer Vorentwurf des Architekten, auch mit Varianten, vorliegen.

Nymphenburg: Verschandelung des barocken Schlossensembles, entsetzen sich die Kritiker: Das aus den 1960er-Jahren stammende Uni-Gebäude am Ende des nördlichen Schlosstraktes (ganz rechts am Bildrand) soll einem modernen Museumsneubau weichen.

Verschandelung des barocken Schlossensembles, entsetzen sich die Kritiker: Das aus den 1960er-Jahren stammende Uni-Gebäude am Ende des nördlichen Schlosstraktes (ganz rechts am Bildrand) soll einem modernen Museumsneubau weichen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sehr wahrscheinlich werde auch über den, von Gegnern als "Fischmaul" geschmähten, großen Tor-Zugang - bisher an der Maria-Ward-Straße liegend - noch einmal nachgedacht, versichert Susanne Fischer vom Landesamt für Denkmalpflege. Denn soll ein Museum dieser Klasse tatsächlich so randständig, fast über den Hintereingang angesteuert werden? Der Bezirksausschuss möchte jedenfalls in die Planungen früh eingebunden und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, fordert sein Denkmalschutzbeauftragter Asko Hochdorn (CSU) und setzt hinzu: "Eigentlich sind wir heute gekommen, um über die Außenwirkung des Neubaus zu sprechen."

Bis das Reizwort "Fassade" gefallen ist bei diesem Termin, hat es ziemlich gedauert. Michael Apel unternimmt zunächst einen kleinen Ritt durch die Geschichte des von ihm geleiteten Museums Mensch und Natur und den Werdegang der Pläne für dessen Erweiterung. Es folgt ein kurzer Rundgang durch den alten Universitätsbau aus den 1960er-Jahren, ganz am Ende des Nordflügels der Schlossanlage, ums Eck an der Maria-Ward-Straße, der abgerissen werden soll, um dem Museumsneubau Platz zu machen. 300 Neuhauser etwa hatten in der jüngsten Bürgerversammlung auf Antrag von Neven Denhauser, Wortführer der Neubau-Kritiker, dafür gestimmt, den siegreichen Wettbewerbsentwurf nicht zu realisieren und stattdessen dieses Gebäude - für das neue Museum - zu erhalten, das sich harmonisch ins Schlossensemble einfüge. Nach dem Gang durch das ehemalige Institut für Genetik und Mikrobiologie mit seinen heruntergekommenen kleinen Labor-, Brut- und Kühlräumen und den niedrigen Decken kommentiert Hochdorn: Dass dieser Bau selbst nach kostspieliger Totalentkernung "nicht museumstauglich ist, dürfte wohl klar sein; das können nur Hardliner fordern".

Nymphenburg: Soll hier ein Museum gebaut werden oder ein Schloss restauriert? Die Pläne für die Erweiterung des Museums Mensch und Natur erhitzen seit Monaten die Gemüter.

Soll hier ein Museum gebaut werden oder ein Schloss restauriert? Die Pläne für die Erweiterung des Museums Mensch und Natur erhitzen seit Monaten die Gemüter.

(Foto: Stephan Rumpf)

In der abschließenden Frage-und Diskussionsrunde dann prallen die Meinungen aufeinander. "Den Charme von Schloss Nymphenburg macht aus, dass diese Anlage sich von der Mitte aus spiegelbildlich aufbaut, bis hinein in die Fassaden. Sie und der Architekt müssen sich bewusst machen, dass Sie hier einen Schlosstrakt bauen", wirft Neven Denhauser den Bauherren hin. BA-Chefin Anna Hanusch widerspricht: "Hier wird ein Museum gebaut und nicht ein Schloss." Und ein Museum dieser Klasse "braucht ein Gesicht", besticht durch sein Gesicht, findet ein älterer Herr und verweist auf das Guggenheim-Museum. Er ist nicht der Einzige, für den ein moderner Museumsbau am Rand der Schlossanlage kein Schreckgespenst ist. "Ganz ehrlich", sagt eine junge Frau über das leer stehende Uni-Institut, "das ist ein 60er-Jahre-Bau voller Asbest - was immer da hinkommt, kann nur besser sein." Auch ihre Begleiterin wundert sich, dass es "hier so viel Gegenwind gibt, obwohl so transparent agiert wird".

Catherine Jennings aus Nymphenburg dagegen vermisst jegliche "Behutsamkeit" des Architekten im Umgang mit diesem "wunderbaren Ort". Und wird von mehreren Seiten darüber aufgeklärt, dass gerade das Büro Staab, das auch das Museum der bayerischen Könige in Hohenschwangau entworfen hat, für seinen behutsamen Umgang mit denkmalgeschützter Substanz bekannt sei. Susanne Fischer wählt dazu ein Bild aus der Musik, die Improvisation über ein Thema: "Wenn eine Tonart vorgegeben ist wie hier am Schloss, dann wird ein Architekt wie Staab sich wunderbar einfügen."

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