Nymphenburg:Doppelt gemoppelt

Die Schotterpiste auf dem Bahndamm in Nymphenburg wird für 450 000 Euro asphaltiert und zum Radschnellweg, obwohl es eine Parallelstrecke gibt. 2018 soll die Trasse wieder abgerissen werden. Das kostet dann 200 000 Euro

Von Sonja Niesmann, Nymphenburg

Das geht nicht, hieß es jahrelang. Jetzt geht es doch: Das Baureferat lässt derzeit die Schotterpiste auf dem Bahndamm, von der Laimer Unterführung Richtung Obermenzing, asphaltieren. 450 000 Euro kostet es, den Weg auf viereinhalb Metern Breite "in einfacher Bauweise" herzurichten, das Geld kommt aus der sogenannten Nahmobilitätspauschale. Auch die Unterhaltskosten trägt die Stadt. Allerdings werden die flotten Radler oben auf dem Bahndamm in nicht allzu ferner Zeit wieder ausgebremst werden, möglicherweise schon in eindreiviertel Jahren. Vertreter der Deutschen Bahn setzen dem Baureferat zufolge den Beginn der zumindest vorbereitenden Arbeiten für die zweite S-Bahn-Stammstrecke für Frühsommer 2018 an. Dann muss die Stadt den jetzt für 450 000 Euro asphaltierten Weg wieder rückbauen, dafür sind weitere 200 000 Euro veranschlagt. Rund sieben Jahre wird die Trasse dann für Radler gar nicht zu befahren sein. In den Beschlussunterlagen für die nun laufenden Arbeiten heißt es: "Im Hinblick auf den späteren Endausbau des Weges handelt es sich um einen verlorenen Aufwand."

Radfahrer und auch Lokalpolitiker hatten immer wieder darauf gedrungen, diesen Abschnitt der schnellen Radwegverbindung Hauptbahnhof-Laim-Pasing endlich anständig herzurichten. Das Baureferat hatte regelmäßig abgewunken, mit dem Argument, dies sei weder wirtschaftlich vertretbar noch sinnvoll. Denn der Weg parallel zur Gleistrasse wird beim Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke als Baustellenzufahrt dienen. Außerdem gibt es eine Alternativroute, die nur 150 Meter länger ist. Aus der Innenstadt kommend, müssen Radler am Ende des Hirschgartens die Trasse an den Gleisen verlassen, die Wotanstraße queren und durchs Neubaugebiet Nymphenburg-Süd, am Sportgelände des ESV und an den Kleingärten vorbei.

Weitere Lücken im Rad-Netz

Die acht Kilometer lange Strecke vom Hauptbahnhof bis zum Würm-Grünzug in Pasing ist eine der Hauptrouten im Münchner Radwegenetz. Dennoch gibt es noch Abschnitte, die dem Anspruch auf einen schnellen, gefahrlosen, weitgehend ampel- und kreuzungsfreien Radweg nicht gerecht werden.

Abschnitt an der Richelstraße: Schon hinter dem "Backstage" an der Friedenheimer Brücke entfernen sich die Radler von den Gleisen, vor dem Sozialgericht versperrt ein Zaun die Durchfahrt, Radler müssen auf die Richelstraße ausweichen. Auch hier sind überdies Baustelleneinrichtungen für die zweite S-Bahn-Stammstrecke vorgesehen. Das Baureferat ist nach eigenen Angaben in Verhandlungen mit privaten Grundeignern, um den Radweg wenigstens provisorisch näher an die endgültige Trasse heranzurücken.

Eine sichere und direkte Querung des Parkplatzes unter der Donnersbergerbrücke haben ÖDP und CSU in einem gemeinsamen Antrag an den Stadtrat im Sommer 2015 gefordert. Außerdem sollen die Erika-Mann-Straße und die Bernhard-Wicki-Straße im Arnulfpark, über die man weiter Richtung Hackerbrücke radelt, als Fahrradstraßen ausgewiesen werden.

Auf der Pasinger Seite der Trasse fehlt die Verbindung zwischen dem Bahnhof und der Offenbachstraße, sie soll noch heuer hergestellt werden. Für eine Fuß- und Radwegbrücke über die Offenbachstraße erarbeitet das Baureferat derzeit eine Machbarkeitsstudie. Die Fortsetzung des Radwegs hinter der Bärmann-Unterführung entlang der Paul-Gerhardt-Allee soll laut Baureferat "sukzessive bis 2018" in Angriff genommen werden. son

Die letzten 1,4 Kilometer bis zur Bärmann-Unterführung hat die Stadt vor zwei Jahren für 1,5 Millionen Euro ausbauen lassen: drei Meter für die Fußgänger, drei Meter für die Radler, in der Pflasterung voneinander abgesetzt, mit Beleuchtung und Ruhebänken - die Komfortausführung eines Fuß- und Radweges. Dennoch zog und zieht es großer Teil der Radfahrer vor, über die Direttissima auf dem Bahndamm zu rumpeln. Der Grundeigner CA Immo hat die Durchfahrt aus Haftungsgründen zwar nie offiziell gestattet, duldet sie aber.

Eine, die sich nie mit den abschlägigen Bescheiden abfinden wollte, ist Sonja Haider. Die ÖDP-Stadträtin radelt fast täglich auf dieser Strecke von Pasing ins Rathaus. Immer wieder hakte sie nach, stellte Anträge, rief im Sommer 2015 sogar zu einer Selbsthilfe-Aktion, genannt "Löcher stopfen", auf. Freiwillige Helfer schaufelten einen Tag lang die größten Schlaglöcher auf der 1,8 Kilometer langen Schotterpiste zu. Erst als im vergangenen November schließlich alle Stadtratsfraktionen in einem gemeinsamen Antrag forderten, diesen Abschnitt, plötzlich "Radlstammstrecke" genannt, auszubauen und fertigzustellen, schwenkte das Baureferat um - was blieb ihm schon anderes übrig angesichts dieser politischen Allianz? "Es war ein verdammt weiter Weg, aber es hat sich für alle Radlerinnen und Radler gelohnt", kommentiert Sonja Haider erfreut, "damit ist München einer echten Radlhauptstadt doch wieder ein kleines Stückchen weiter entgegengekommen". Wenn die Asphaltierung gegen Ende August abgeschlossen ist, will sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) dort fotogen aufs Rad schwingen.

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