Nymphenburg:Bürgerbewegung für den Blauregen

Blauregen Glyzine Glyzinie Glycinie Wisterie Chinesischer Blauregen Wisteria sinensis an der

Ohne den Blauregen wirkt die Fassade leer und nackt.

(Foto: Imago)

Große Blütendolden hatten im Nymphenburger Schlosspark das Geranienhaus umrankt. Die Schlösserverwaltung hat sie entfernen lassen - und denkt nicht daran, wieder nachzupflanzen

Von Sonja Niesmann, Nymphenburg

Üppige blaue Blütendolden haben lange den Eingang zum Geranienhaus umrankt - ein Anblick, der Spaziergänger im Nymphenburger Schlosspark immer erfreut hat. Vergangenes Frühjahr jedoch wurde der Blauregen wegen der Fassadensanierung entfernt, im Herbst - nachdem er noch einmal Blüten getrieben hatte - erneut weggeschnitten. "Brutal niedergeschlagen", wie Catherine Jennings es formuliert. Die 57-Jährige, deren Familie seit Generationen in Nymphenburg ansässig ist, beharkt sich deshalb seit Monaten mit der Bayerischen Schlösserverwaltung.

Jennings hat die Bürgerbewegung "Der Blaue Regen" gegründet, der sich ihren Worten zufolge "viele Nachbarn und auch einige Künstler" angeschlossen haben. Sie hat rund 100 Unterschriften gesammelt für eine Nachpflanzung von "Wisteria sinensis", wie der botanische Name des chinesischen Blauregens lautet, und plant demnächst auch eine Ausstellung. Die Nymphenburgerin scheut sich dabei auch nicht vor Pathos: "Das Todesurteil aufheben" fordert sie in einem Schreiben, das nicht nur an die Schlösserverwaltung und deren obersten Chef, Finanzminister Markus Söder (CSU), gerichtet ist, sondern auch an "die Nachkommen von Kurfürstin Henriette Adelaide von Savoyen", der Namensgeberin von Schloss und Park. Jennings argumentiert, der erste Blauregen am Geranienhaus stamme schon aus dem frühen 19. Jahrhundert, aus der Zeit des Landschaftsarchitekten Friedrich Ludwig von Sckell, des Park-Gestalters; das sei auch 1821 bei Alois Sterler im "Hortus Nymphenburgensis" belegt. Der Blauregen genieße also Bestandsschutz.

Falsch, erwidert Bernd Schreiber, Präsident der Schlösserverwaltung, und beruft sich ebenfalls auf intensive "gartendenkmalpflegerische Nachforschungen". Der ob seiner "enormen Wuchs- und Schlingkraft" markante Blauregen möge vielleicht wie ein sehr altes Exemplar gewirkt haben. Er sei aber am Geranienhaus erst im 20. Jahrhundert gepflanzt worden, wo er im Übrigen erhebliche Schäden an der Fassade angerichtet habe und weiter anrichten würde. Sckell, der das Glashaus 1821 für die Zucht von exotischen Zierpflanzen errichtete, habe auf klare, klassizistische Architektur Wert gelegt. Auf Plänen aus jener Zeit sei dokumentiert, dass bei den Gewächshäusern keine Pflanzendekoration vorgesehen gewesen sei, weder an der Fassade noch davor in Beeten, betont Schreiber.

Kurzum: Der Blauregen wird nicht nachgepflanzt. Natürlich sei die Schlösserverwaltung auch der Schönheit verpflichtet, versichert ihr Präsident, habe aber einen denkmalpflegerischen Auftrag zu erfüllen: "Der Umgang mit einem historischen Garten beinhaltet folglich auch Maßnahmen und Eingriffe in die Natur, die bei einem externen Betrachter unterschiedliche Reaktionen hervorrufen können." Wie heftig diese Reaktionen ausfallen können, hat die Schlösserverwaltung vor 15 Jahren erlebt, als sie - ebenfalls unter Berufung auf Sckells historisches Werk - die Rosensträucher im Ziergarten vor den Gewächshäusern entfernen ließ. Bei vielen Freunden des Schlossparks löste das einen Sturm der Entrüstung aus, sie schimpften, Sckells Nachfahren verhielten sich wie die sprichwörtliche Axt im Walde. Seitdem begleitet die Schlösserverwaltung jede größere Maßnahme im Park, jede Auslichtung oder Baumfällung mit einer Art Imagekampagne: Pressemitteilungen sowie Infotafeln.

Bei Catherine Jennings fällt dieses Werben um Verständnis nicht auf fruchtbaren Boden. Sie findet: "Der Sckell wird da missbraucht. So armselig und trist, wie das jetzt ausschaut, hat er sich das sicher nicht vorgestellt." Erst die Rosen, die Schneebälle und die Magnolien, jetzt die Wisteria - "der gesamte Ziergarten ist weg". Stattdessen würden "im Friedhofsstil" Stiefmütterchen und Begonien gepflanzt. "Das ursprünglich Üppige, den Göttern Geweihte im Park verliert an Substanz", sagt sie, "es tut weh, das zu sehen".

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