Nullachtneun:Maus trifft kleinen Frosch

Es ist schwierig genug, einen passenden Vornamen fürs Kind zu finden. Warum nennen Eltern ihren Nachwuchs dann freiwillig "Mopsi"?

Nadeschda Scharfenberg

Damals im Kindergarten war Philipp eine kleine und ein bisschen traurige Berühmtheit. Philipp war ein niedlicher Bub, er hatte Kulleraugen, Pausbäckchen, blondes Wuschelhaar - und ein Problem: Seine Mama nannte ihn so exzessiv beim Kosenamen, dass er auf die Frage "Wie heißt du?" stets piepsig antwortete: "Maus!" Alle Welt fand das süß.

Nullachtneun: Manchmal ist es zum heulen: Mit den Namen ist es wie mit den Schulterpolstern - längst totgeglaubte Moden kehren immer wieder.

Manchmal ist es zum heulen: Mit den Namen ist es wie mit den Schulterpolstern - längst totgeglaubte Moden kehren immer wieder.

(Foto: Foto: Reuters)

Also bombardierten Mamas, Papas, Omas, Geschwisterkinder und sonstiges Abholpersonal den armen Knaben mit der immer gleichen Frage. Wieheißtduwieheißtduwieheißtdu? So lange, bis Philipp in Tränen ausbrach und lieber nichts mehr sagte.

Monatelanges Brüten

Ob aus dem Jungen trotz alledem etwas Vernünftiges geworden ist, ist nicht bekannt. Aber sein Fall wirft ganz allgemein die Frage nach Sinn und Unsinn von Kosenamen auf: Warum zum Teufel nennen Eltern ihre Kinder Maus? Warum rufen sie die Kleinen nicht einfach so, wie sie heißen? Schließlich war es schwierig genug, überhaupt den passenden Vornamen zu finden.

Monatelang brüten werdende Mamas und Papas über Hitlisten und Vornamens-Lexika, kämpfen sich durch von Aglaia über Gottwald und Hadubrand bis hin zur biblischen Zippora. Nicht alle Münchner Paare landen zwangsläufig bei Marie und Maximilian, den aktuell beliebtesten Vornamen in dieser Stadt.

Manche Eltern sind recht findig, was die Benennung des Nachwuchses angeht, wie ein Bummel über diverse Spielplätze zeigt. Da schaukelt Sydney (übrigens ein Bub) neben Noelle, während unweit Tyler-Dominic kiloweise Sand aus dem Sandkasten schaufelt. Und spätestens als die blondierte junge Frau am Fuß der Rutsche "Wo-ho-holf-gang" ruft, obwohl weit und breit kein Mann mittleren Alters zu sehen ist, ist klar: Mit den Namen ist es wie mit den Schulterpolstern - längst totgeglaubte Moden kehren immer wieder.

Besonders beliebt: Mucki

Gustav und Fritz, Emma und Margareta, alles schon dagewesen, alles geläufig in diesen Tagen. Und bestimmt wird es bald auch wieder kleine Reinholds geben.

Ist sowieso alles egal, wenn schlussendlich doch jedes Kind Maus oder Schatz gerufen wird. Wobei - auch bei den Kosenamen gibt es gewöhnliche und außergewöhnliche. Besonders beliebt zurzeit: Schnecke, Mucki und kleiner Frosch. Widerspenstige junge Damen werden gerne als Hexe bezeichnet, das männliche Pendant ist der Räuber, und dann findet man natürlich Prinzen und Prinzesschen allerorten. Außerdem soll es Menschen geben, die zu ihrem Kind Pupsi sagen (oder auch zu ihrem Ehepartner, aber das ist ein anderes Thema).

Der kleine Wolfgang von der Rutsche übrigens, ein moppeliges Kerlchen, trägt bedauerlicherweise den Spitznamen Mopsi. Während die meisten Eltern sich auf der Suche nach Kosenamen im Reich der Tiere, Blaublüter oder Märchengestalten bedienen, werden einige auch in der Politik fündig. Der SZ sind mehrere Familien bekannt, die ihre essfreudigen Kleinen tatsächlich so nennen wie einen von Plakaten bekannten, wohlgenährten Europa-Abgeordneten von der CSU: Posselt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: