NullAchtNeun:Kleine Münchner Huplehre

Von China über Berlin bis nach München: Wie die Hup-Gewohnheiten der Großstädter zum Stimmungsbarometer werden.

Joachim Käppner

Der unvergessene britische Autor Douglas Adams ("Per Anhalter durch die Galaxis") schrieb einmal: "Wenn man in New York ein Hupkonzert hört, weiß man, dass die Leute in gefährlicher Stimmung sind." Adams hatte die Lehre entwickelt, aus den Lautäußerungen im Straßenverkehr auf die Befindlichkeit von Land und Leuten zu schließen.

NullAchtNeun: Sag mir wie du hupst...

Sag mir wie du hupst...

(Foto: Foto: dpa)

In China schien ihm das gleichbleibend fröhliche Gebimmel der Fahrradklingeln als Ausdruck eines ausgeprägten Harmoniebedürfnisses und eines noch immer besorgniserregenden Zuges zur Gleichmacherei. Er ging zu weiteren Feldstudien in eine Drogerie und fragte mittels Gebärdensprache nach extragroßen Kondomen, ein Ansinnen, das einen weiteren Wesenszug der Chinesen, nämliche unziemliche Neugier, zu Tage förderte.

Adams aber zog vor der erstaunten Menge den erstandenen Plastikschutz bloß über ein Mikrophon der BBC und ließ dieses hinab in einen Fluss, in dem Süßwasserdelphine lebten: Das Gedröhne der Schiffsmotoren, der Außenborder, der Nebelhörner und vieler anderer Lärmquellen ließ ahnen, warum die empfindsamen Tiere bald aussterben werden, und das wiederum erzählt eine Menge über China.

Leider lebt Douglas Adams nicht mehr. Es wäre sehr reizvoll gewesen, ihn München gemäß der Huplehre erklären zu lassen. Versuchen wir es daher im Sinne des Meisters selbst. Der gemeine Münchner Huper unterscheidet sich aufs erste Hinhören schon von seinen Kollegen in, sagen wir, Berlin und Köln. Der Berliner hupt weniger, zeigt also eine gewisse großstädtische Gelassenheit. Hupt er aber doch, dann mit jener prolligen Selbstgefälligkeit, die das Wesen des Hauptstädters ausmacht: nämlich grob und unhöflich zu sein, aber dafür geliebt werden zu wollen.

Der Kölner hingegen hupt öfter, aber eher im fröhlichen Sinne. Selbst wenn er andere Fahrer scheuchen und maßregeln will, meint er doch eigentlich: "Nä, watt bin isch für ne tolle Jong, und luurens (schaut her), dä jeile Schlöder (das schicke Fahrzeug), dä isch han."

Der Münchner hingegen hupt erregt, oft schreit er dabei. Wenn er die Scheiben geschlossen hat wie jetzt im Winter, sieht er dabei aus wie ein tobender Kampffisch im Aquarium. Im Sommer hört man seine Verwünschungen: "So a Depp, a bläda", oder: "Geh weida, fahr zua, du Hirsch!" Manchmal hupt er ausdauernd, obwohl die Fahrzeuge vor ihm gar nicht weiterfahren können.

Er scheut auch das Tröten an Zebrastreifen nicht, wenn Fußgänger im Weg sind, schlafende Babys im Kinderwagen sind seine Sorge nicht. Er drückt aufs Horn, wenn er sich zurückgesetzt oder aufgehalten fühlt, also sehr oft. Das Hupen erfüllt nur nach außen hin die Funktion, andere Verkehrsteilnehmer auf echte oder unterstellte Regelverstöße aufmerksam zu machen. In Wahrheit ist es automobiler Ausdruck des typischen, hier beheimateten Weltschmerzes, des Grant. Das Leben, so sagt es uns, ist eine Zumutung. Und ihr da draußen seid schuld daran.

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