NullAchtNeun:Hannibal, hilf!

Die Schrannenhalle meldet sich mit einer Party zurück im Nachtleben der Stadt. Doch diese Nachricht ist keineswegs ein Grund zum Feiern, vermisst hat sie keiner.

Wolfgang Görl

Wie ein Donnerschlag erschüttert die Hiobsbotschaft die Stadt, eben noch fröhliche Menschen ergreifen schreckensbleich die Flucht, überall macht sich Verzweiflung breit. Kurz gesagt: In München geht es zu wie im alten Rom nach dem Siegeszug der Karthager.

NullAchtNeun: In der Schrannenhalle wird ab heute wieder gefeiert

In der Schrannenhalle wird ab heute wieder gefeiert

(Foto: Foto: Schellnegger)

Nur ruft keiner "Hannibal ante portas", nein, dem Münchner droht eine andere Heimsuchung: Die Schrannenhalle macht wieder auf. Heute, am Freitag, geht es los, Party ist angesagt, überhaupt soll es ganz tolle Events geben, sogar Firmenfeiern, die seit je die Krönung weltstädtischen Amüsements sind.

Und natürlich ist der formidable Gastronom Lochbihler wieder mit von der Partie, auch der clevere Investor Thannhuber - also jene Herren, die bei ihrem Job, die Schranne zu einem attraktiven Ort zu machen, bisher ebenso erfolgreich waren wie die römischen Feldherren im Kampf gegen Hannibal.

Es gibt Dinge, an denen von Natur aus das Pech klebt, und vielleicht ist die Schrannenhalle so eines. Schön war sie ja, als sie 1853 eingeweiht wurde, eine gut 400 Meter lange, filigrane Gusseisenkonstruktion; doch bald erwies sie sich als zu groß für den Getreidehandel, sie wurde sukzessive zurückgestutzt, und dann, 1932, ging auch noch der Nordtrakt in Flammen auf. Womöglich war das ein Zeichen, dass der Münchner Stadtgott keine Halle an dieser Stelle duldet.

Wie auch immer - an missbilligende Signale höherer Mächte dachte kein Mensch, als 1978 Teile der Eisenkonstruktion in einer Lagerhalle wiederentdeckt wurden. Im Gegenteil, es schien ein Geschenk des Himmels zu sein, weshalb sich die Stadt entschloss, die Eisenbasilika wieder aufzubauen. Mit der ortsüblichen Verzögerung von 25 Jahren legten die Arbeiter los.

Dann endlich die Eröffnungsfeier, wo man dachte, aha, die haben die herrlichen Säulen und zierlichen Verstrebungen noch verhüllt, wie bei Denkmalseinweihungen üblich; gleich werde der Oberbürgermeister auf einen Knopf drücken, die Hüllen fielen und das zauberhafte Gebilde läge frei, luftig und leicht wie das Werk einer Spinne. Aber niemand drückte den Knopf, die alte Halle blieb verborgen in einem Wust aus Heizungsrohren, Stahlstützen, Kunsthandwerksbuden, Bars, Krimskrams, Zigarettenständen und Schnellküchen.

Wer sich an einem der Tische niederließ, wusste oft nicht, ob er jetzt beim Inder, beim Sushi-Japaner oder beim Prosecco-Italiener saß - in der Regel saß man immer falsch, was einem der Kellner, sofern er überhaupt kam, spüren ließ. Dazu liefen Fußballspiele in zahllosen Fernsehern, Reportergeschrei erfüllte den Raum, während Münchner mit schamrotem Kopf durch die Schranne irrten, im Schlepptau ihre uckermärkische Verwandtschaft, die sich wie daheim auf dem Flohmarkt im stillgelegten VEB-Montagewerk fühlte.

In solchen Momenten hätte man lieber Hannibal in der Stadt gehabt als dieses Grabmal einer ursprünglich guten Idee. Und so war es eine Erlösung, als ein gnädiger Mensch im Juni die Halle zusperrte - warum bloß hat er den Schlüssel nicht in der Isar versenkt?

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