NullAchtNeun:Die doppelte Tausend

Zwei Frauen, eine Botschaft: Von einem Wahlplakat der SPD lächeln dem Wähler gleich zwei Damen entgegen. Bleibt noch die Frage: Wer ist hier nur wer?

Harald Hordych

Wenn Wahlzeiten übergangslos ineinander übergehen, verliert man leicht den Überblick. Ein Plakat macht es einem besonders schwer, sich in der Politik-Welt zurechtzufinden. Diese Wahlwerbung zeigt zwei beherzt dreinblickende Frauen. Das gibt es selten, weil in der deutschen Demokratie in der Regel nicht paarweise geworben wird. Auf einen Listenplatz passen nun mal nicht zwei.

NullAchtNeun: Sie lächelt zur Zeit von vielen Wahlplakaten: Claudia Tausend. Dabei ist sie nicht alleine. Wie ein Double lächelt Christine Strobl neben ihr - das sorgt für Verwirrung.

Sie lächelt zur Zeit von vielen Wahlplakaten: Claudia Tausend. Dabei ist sie nicht alleine. Wie ein Double lächelt Christine Strobl neben ihr - das sorgt für Verwirrung.

(Foto: Foto: Haas)

Die SPD in München zeigt aber gleich zwei ohne Zweifel attraktive Frauen, die offenbar für die Roten in den Bundestag ziehen sollen. Mehr Frauen in die Parlamente! Erfreut lässt man das Lächeln der beiden auf sich wirken, um sich danach zu fragen: Moment, wer ist wer, wenn eine von beiden - wie oben nachzulesen ist - Claudia Tausend ist, die am 27. September in den Bundestag einziehen soll?

So etwas ist bei Eine-Frau-ein-Plakat-Lösungen leicht herauszufinden. Hier aber kommt erschwerend hinzu, dass die beiden sich zwar durch die Länge ihrer braunen Haare und in der Farbe ihrer Jackets unterscheiden, ansonsten aber aussehen, als hätte der Plakatdesigner als Werbebotschaft die doppelte Claudia ersonnen. Beide tragen die gleiche Brille und sogar das gleiche zuversichtliche Lächeln auf ihren Lippen. Das muss dieselbe Frau sein. Was will uns Claudia Tausend damit sagen?

Autofahrer werden schwer eine Antwort darauf finden, denn sie schaffen es nur mittels Vollbremsung den zweiten Teil des Plakats zu lesen. Dort steht: "Kompetent für Frauen mit Bürgermeisterin Christine Strobl." Dieses Plakat schüttelt den Wähler richtig durch. Es verwirrt ihn komplett und macht seinen Alltag zum Abenteuer.

So muss man in die Wahlkabine gehen, total neugierig. Denn wer Christine Strobl und wer Claudia Tausend ist - das wissen nur die Parteifreunde und echten Fans der beiden. Frau Strobl will - wie es in informierten Kreisen heißt - ein wenig bekannter werden. Schätzungen besagen, dass nur 30 Prozent der Münchner wissen, wie sie aussieht. Jetzt wissen wir alle es besser: Sie ist das Double von Frau Tausend. Und umgekehrt.

Wenn Frauen so positiv miteinander umgehen, kann nichts mehr schiefgehen, höchstens die Bundestagswahl, wenn man den Umfragen glaubt, aber Münte hat gesagt, dass es erst jetzt richtig losgeht. Und da braucht die SPD jede Frau, wie Steinmeiers Schattenkabinett belegt. Am besten jede doppelt. Aber all das ist Spekulation, an der wir uns nicht beteiligen.

Nur soviel sei erlaubt: Was ist das für eine Stadt, in der eine Frau ernst macht mit der Aussage vieler literarischer Texte, in der Frauen bekannt haben: Ich - das ist mehr als eine. Ich - das ist Priesterin und Hure, Königin und Sklavin, Mutter und Femme Fatale. Sagt dieses Plakat nicht auch über München, dass diese Stadt zwei Gesichter hat, dass sie ein Ort der Zweideutigkeit ist? Bieder und lasterhaft, provinziell und weltstädtisch, behäbig und sprunghaft?

Wenn die beiden Claudias nach Berlin gehen sollten, werden sie erfahren, was es heißt, zu zweit in eine Stadt zu gehen, die tausend Gesichter hat. Tausend! Auf das nächste Plakat von Claudia T. aus M. darf man gespannt sein.

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