NullAchtNeun:Die CSU bleibt eine Predigt wert

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Je länger und härter man auf dem Nockherberg rangenommen wird, desto größer ist das politische Standing.

Joachim Käppner

Normalerweise kommt erst das Bier und dann die Buße, jedenfalls im katholischen Bayern, wo man beides sorgsam auseinanderzuhalten versteht. Der ehrwürdige Nockherberg vereint aber Buße und Bier, und er hat es noch nie so glaubwürdig getan wie am Donnerstag, als er erstmals abends stattfand.

Kam noch vor: Günther Beckstein. (Foto: Foto: dpa)

Ausweislich der aufs Politiker-Derblecken folgenden Interviews hatte der Genuss des äußerst wirksamen Salvator-Bocks bei nicht wenigen Zuschauern tatsächlich stattgefunden, die früher, am Mittag, höchstens die Lippen leicht benetzt hatten. Damals waren sie anschließend nüchtern genug, um den allzu wortgewaltigen Bußprediger abzusägen, wie 2007 Django Asül. Solches ist bei der Abendlösung nicht zu befürchten.

Der Laie fragt sich ja immer, warum die Politiker im Festsaal der Paulanerbrauerei plötzlich so herzhaft über sich selbst lachen können, wenn sie auf der Bühne verulkt werden. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens ist das Nockherberg-Lachen Ergebnis langen Trainings unter der Aufsicht von mit Starkbieren gerüsteten Spin-Doctors, die den Probanden lehren, das Gegenteil von dem zu zeigen, was er empfindet: ans Grölende grenzendes Lachen statt sofortiger Flucht aus dem Saal.

Wichtiger noch ist der zweite Grund. Es ist schlimm und scheußlich, derbleckt zu werden. Aber noch schlimmer und scheußlicher ist es, nicht derbleckt zu werden. Je länger und härter man rangenommen wird, desto größer ist das politische Standing. Ein Starkbier-Politbarometer sähe also etwa so aus: Seppi Schmid, Ude-Herausforderer, nur am Rande erwähnt.

Noch schlimmer Christine Haderthauer: zur Sozialministerin wegbefördert, die 2008 immerhin noch als "Barbiepuppe" geschmäht wurde (sie hatte das souveräne Nockherberglachen freilich nicht so gut drauf), jetzt Fehlanzeige. Stoiber: ein kurzes, beklemmend realitätsnahes Gastspiel als unerwünschter Ratgeber. Dann das weite Feld der Zeils und Hohlmeiers, die nach jeder raren Zeile der Demütigung gieren, und schließlich die Platzhirsche, bei denen es um das Wichtigste im Leben geht, die Hackordnung ganz, ganz oben.

Gewinner ohne Zweifel Horst Seehofer und Karl-Theodor zu Guttenberg, die gefeierten Hauptpersonen. Wie weit sie es mit den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften (Seehofer: "Manchmal mach ich auch an Schlenkerer, der mir selber kryptisch bleibt; wo ich nachts aufwach und grübel: Was hab ich mir denn da wieder gedacht?" / Guttenberg: "Mögen die Worte den nicht folgenden Taten voranpreschen") noch bringen werden, steht dahin. Aber sicher ist eines: Das Derblecken hat seine größte Krise gemeistert.

Es hatte ja einen schrecklichen Verlust erlitten, einen Rückschlag von vernichtenden Ausmaßen; es stand, sagen wir es offen, vor dem völligen Ruin: Was sollte bloß werden ohne Stoiber, ohne die Alleinherrschaft der CSU? Jetzt weiß man es: Die CSU bleibt eine Bußpredigt wert. Wie sagte beim Singspiel die falsche Merkel: "Nun erlebe ich schon den dritten bayerischen Superfürsten! Und jedesmal denk ich: Das ist jetzt der Schlimmste."

© SZ vom 04.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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