Null Acht Neun:Zum Feiern verurteilt

Die Stadt wollte an ihrem Geburtstags-Sonntag die Läden öffnen, aber die Richter verboten dies. Wie kann man nur denken, die Menschen seien auch an Dingen interessiert, die nichts mit Shoppen zu tun haben?

Von Wolfgang Görl

Schon jetzt blicken die Gebildeten unter den Münchnern mit Grausen auf den 19. Juni, den Sonntag, an dem die Stadt ihren 858. Geburtstag feiert. Das Stadtgründungsfest, daran ist nicht mehr zu rütteln, wird eine sterbenslangweilige Sache. Überraschend ist das nicht, die Münchner, die jedes Jahr zu Hunderttausenden dabei sind, wissen längst, was ihnen blüht: In der Altstadt belästigen Bands das Publikum mit Musik, die Leute hocken beisammen und gluckern Bier oder Aperol Sprizz, wer Pech hat, muss sich mit dem Tischnachbarn unterhalten, und wenn es ganz dumm läuft, wird man auch noch zum Tanzen aufgefordert. Eingeborene vom alten Schlag ertragen das nur, weil sie gekommen sind, um einen Grund zum Granteln zu haben. Dem modernen Münchner aber, der in der Regel Betriebswirtschaft studiert hat und auch sonst bildungsfern ist, gilt das gemütliche Beisammensein als ein Relikt aus der Steinzeit. Ach was, schlimmer noch: Selbst die Neandertaler, behauptet er, wären lieber ausgestorben, als ihre Höhle wegen der Münchner Française und der Eröffnungsrede ihres Oberbürgermeisters zu verlassen.

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