Null Acht Neun:Rauchzeichen aus dem Rathaus

Eine Vorlage der Verwaltung für den Stadtrat beweist: Die elektronische Revolution hat die Landeshauptstadt erreicht, wenn auch nur langsam

Kolumne von Andreas Schubert

Was soll nun eigentlich aus den ganzen Brieftauben werden, die sie bis vor Kurzem zwischen den einzelnen Referaten der Stadt hin und hergeschickt haben? Diese Woche kam für die Tiere endgültig das berufliche Aus, als die Verwaltung in einer Stadtratsvorlage die Erkenntnis verbreitete: "Das Internet ist im Alltag der Menschen angekommen." Ja, kein Witz, stand da so! Die elektronische Revolution hat also die Landeshauptstadt erreicht, wenn auch nur langsam. Aber dieses Internet ist ja noch Neuland, wie wir alle wissen, und sonderlich schnell ist es auch nicht. Doch was soll die Eile? Eines nach dem Anderen: Erst einmal soll das städtische Morse-Referat, das bei schlechtem Wetter anstelle der Tauben die Kommunikation übernimmt, bald mit elektronischen Rechenapparaten ausgestattet werden. Für die Umschulung der Mitarbeiter, so ist aus dem Rathaus zu hören, will die Stadt eine Milliarde D-Mark ausgeben. Ob sie mit dem Betrag hinkommt, wird man sehen. Hohe Ausgaben werden allein schon die Akkustikkoppler verursachen. Das sind jene Hightech-Geräte, auf die man den Telefonhörer legt, wenn man in dieses Internet hinein will. Wie einer abgefangenen Rohrpost-Nachricht des Kommunalreferats zu entnehmen ist, existieren nur sehr wenige dieser Apparate; entsprechend schwer aufzutreiben und teuer sind sie.

Aber die Stadt will lobenswerterweise nichts überstürzen und den Bürger nicht mit allzu viel Moderne überfordern. Deshalb stellt sie Reformen wie die Entwirrung des gordischen MVV-Knotens erst mal hintan, um sich mit ganzer Kraft auf die Elektrifizierung zu konzentrieren. So haben die MVV-Leute wohl noch mindestens ein Jahr mehr Zeit, an ihren Rechenschiebern neue Preismodelle zu ertüfteln. Und wenn sie es da auch nicht schaffen, was soll's!

Bis die modernen Rechenapparate und ihr hocheffizientes Betriebssystem "Mucdows 1.0" komplett im Einsatz sind und die neu gegründete Emailfabrik den elektronischen Datenaustausch perfektioniert hat, gilt eine Übergangszeit bis Ende 2022. So lange darf die Stadt für die Fernverständigung auch noch ihre Rauchzeichen aus dem Kohlekraftwerk Nord verwenden. Dann aber, so haben es fortschrittsmutige Münchner mittels analoger Zettelabstimmung entschieden, hat sich's ausgeraucht. Es sei denn, die Bundesinternetzagentur stuft die Rauchzeichen für die Kommunikation als systemrelevant ein.

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